Hunderttausende in Thailand ohne Staatsbürgerschaft

Für Mong Thongdee geht in den nächsten Tagen voraussichtlich ein Traum in Erfüllung: Der 21-Jährige hat von den Behörden in Chiang Mai Bescheid bekommen, dass er demnächst thailändischer Staatsbürger werden könne. Noch in dieser Woche werden seine Fingerabdrücke mit dem Vorstrafenregister abgeglichen. Wenn alles in Ordnung ist, wird die Einbürgerung wohl noch vor Jahresende stattfinden. Auf diesen Moment hat der junge Mann neun Jahre lang gewartet.

Der Sohn burmesischer Migranten erreichte früh eine gewisse Berühmtheit, weil er schon als Zwölfjähriger die nationale Meisterschaft im Fliegenlassen von Papierflugzeugen gewonnen hatte. Nach diesem Kunststück und weil Thongdee nachweislich in Thailand zur Welt kam, wurde ihm damals die Einbürgerung in Aussicht gestellt. Doch erst jetzt, da er fast ein Jahrzehnt später den nationalen Wettbewerb als Erwachsener erneut gewonnen hat, kommt sein Dossier anscheinend voran. Denn nun hat das Königreich ein Interesse daran: Wenn alles gutgeht, wird Thongdee Thailand 2019 an einem internationalen Wettbewerb für Papierflugzeuge in Japan vertreten.

 «Fliegerheld» aus dem Norden

Der Fall des kleinen «Fliegerhelden» aus Nordthailand wirft ein Schlaglicht auf das Los Hunderttausender staatenloser Personen in der Region. Im internationalen Brennpunkt steht diesbezüglich derzeit Burma, wo in den vergangenen zwölf Monaten fast eine Million Moslems aus Rakhine vertrieben worden sind. Das Schicksal und die Nationalitätenfrage der in Bangladesh gestrandeten Flüchtlinge dürfte die Region noch jahrelang beschäftigen.

Im Vergleich dazu ist in anderen Ländern Südostasiens fast alles in Ordnung. Das Uno-Flüchtlingshilfswerk UNHCR geht aber auch in Thailand von 480 000 Menschen aus, die dort ohne Nationalität und ohne ordentliche Papiere leben. Wahrscheinlich ist das deutlich zu tief gegriffen, sprechen doch andere Quellen von 2 bis 3,5 Millionen Menschen.

Die Gründe sind vielfältig: Sie reichen von vernachlässigten Minderheiten in Grenzgebieten sowie Wanderarbeitern bis zu Vertriebenen aus Nachbarstaaten oder Nachkommen von längst sesshaften Personen, denen Papiere wie Geburtsurkunden fehlen. Staatenlos zu sein, bedeutet, dass den Betroffenen der Zugang zum Arbeitsmarkt, zu staatlichen Einrichtungen, einer höheren Ausbildung, Ausweisen, Wohneigentum und selbst Sozialhilfe verwehrt ist. Dieser Ausschluss wird sich nach Einschätzung von Hilfsorganisationen mit der nun auch in Thailand vorangetriebenen Digitalisierung noch akzentuieren.

Nimmt man die obigen Zahlen zum Massstab, gibt es – abgesehen von Bangladesh – in keinem südostasiatischen Land so viele staatenlose Bewohner wie im 68 Millionen Einwohner zählenden Thailand. Das hängt mit der Rolle des Königreichs als traditionelles Zufluchtsland, als Arbeitsort und als sprichwörtliche Nation der Toleranz zusammen.

Kein Wunder: Im Vergleich dazu sind die umliegenden Staaten Burma, Laos und Kambodscha ja nicht nur wirtschaftlich stark unterentwickelt; sie sind historisch auch durch Kriegswirren und Indoktrinationen gezeichnet, die zum Teil bis heute nachwirken und zur politischen Instabilität beitragen. Das fruchtbare, vergleichsweise friedvolle «Land der Freien», wie die Thai sich selbst allegorisch sehen, verfügt traditionell über eine hohe Anziehungskraft.

Anziehungskraft der grünen Felder

Christopher Lom von der Organisation für Migration (IOM) weist in diesem Zusammenhang zudem auf einen agrarwirtschaftlichen Faktor hin: Diesseits der Grenze in Thailand sind die Felder seit Menschengedenken fruchtbarer, die Ernten einträglicher, die Infrastruktur besser und das Arbeitsangebot folglich grösser. Solche Faktoren hätten historisch wesentlich dazu beigetragen, dass während der Erntemonate immer Tausende von Arbeitskräften über die Grenze gekommen seien.

Seit Generationen verwischten und vermischten sich so Herkunft, Sprachen, Sitten und ethnische Zugehörigkeit. Viele Menschen schaffen es daher nicht, die Dokumente vorzulegen, die die Behörden für die Bestätigung der Staatsbürgerschaft verlangen, etwa Geburtsurkunden der Eltern.

Staatenlos zu sein, bedeutet, dass den Betroffenen der Zugang zum Arbeitsmarkt, zu staatlichen Einrichtungen, einer höheren Ausbildung, Ausweisen, Wohneigentum und selbst Sozialhilfe verwehrt ist.

Bei den meisten heute als staatenlos geltenden Personen handelt es sich um Einwanderer und deren Nachfahren aus den Nachbarstaaten sowie um Angehörige ethnischer Minderheiten, die seit Generationen in den Randgebieten Thailands leben. Zu Letzteren zählen etwa die Minoritäten der Lisu oder Akha, Hmong oder Karen. Die Karen bilden auch die Mehrheit in den Lagern an der thailändisch-burmesischen Grenze rund um Mae Sot.

Es handelt sich um etwa 90 000 Flüchtlinge, die vor Jahren vor der burmesischen Armee flüchteten. Sie sollten eigentlich repatriiert werden, doch dies ist angesichts der derzeitigen politischen Situation in Burma keine Option. Dass diese Vertriebenen die thailändische Staatsbürgerschaft erhalten, ist nicht vorgesehen.

Nationalitätenfrage nach der Rettung

Der Papierflugzeugflieger Mong Thongdee ist nicht der Einzige, dessen Schicksal heute auf das Heer der Staaten- und Rechtlosen in Thailand aufmerksam macht. Das Höhlendrama mit den eingeschlossenen jugendlichen Fussballern nördlich von Chiang Rai sorgte diesbezüglich für viel grössere Schlagzeilen. Drei der Burschen verfügten über eine thailändische Identitätskarte, was ihnen ein Aufenthaltsrecht einräumte, nicht aber über die Staatsbürgerschaft.

Der 25-jährige Trainer burmesischer Herkunft, Ekaphol Chantawong, trägt wohl einen thailändischen Namen, hielt sich letztlich aber illegal in Thailand auf, weil er keine gültigen Papier besass. In der Euphorie nach der erfolgreichen Rettung aus der Höhle ist im August allen vieren die Nationalität zugesprochen worden.

Die zügige Einbürgerung hat in Thailand für Beifall gesorgt, jedoch auch Fragen aufgeworfen: Wieso dauert es in der Regel Jahre, bis Personen, die in Thailand geboren wurden und nachweislich über einen Elternteil mit thailändischen Wurzeln verfügen, die Staatsbürgerschaft erlangen?

Laut offiziellen Angaben haben seit 2011 über 27 000 Personen, die zuvor als staatenlos galten, die Staatsbürgerschaft erhalten. Inzwischen hat die thailändische Regierung in Zusammenarbeit mit UNHCR das Ziel definiert, bis 2024 das Problem der Staatenlosigkeit vollständig zu lösen.

Das Ziel wirkt ambitiös. Nichtregierungsorganisationen rechnen vor, dass es bei dem heutigen Tempo der Einbürgerung von zehn Personen pro Tag und angesichts der grossen Nachfrage nach der thailändischen Staatsbürgerschaft etwa 300 Jahre dauern würde, bis dieses Ziel erreicht wäre.

 

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Raoul Duarte
Gast
Raoul Duarte
1. September 2018 4:24 pm

sf:      Es gibt hier Leute,  die sind vi von Hier und Neid  zerfressen, das spottet jeder Beschreibung. Das kommt sicher auch von STIN. Dann hat sich das für den Papierflieger ja richtig gelohntgelohnt! 

Aber sichersicher doch.

Sovielsoviel Hier und Neid und PapierfliegerPapierflieger hier. 

sf
Gast
sf
31. August 2018 7:00 pm

 

STIN sagt:

31. August 2018 um 6:14 pm

das ist aber auch nichts ungewöhnliches. Die kommen heute noch über die Grenze und arbeiten illegal im Lande.

Natürlich bekommen die keine Thai-Staatsbürgerschaft. Das setzt, wie in der EU gute Sprach- Schreib- und Lesekenntnisse

voraus. Die meisten können nicht mal ihre eigene Schrift in Burma lesen, geschweige den schreiben.

 

Kein Land der Welt bürgert ohne Sprachkenntnisse ein.

 

 

 Darum geht es doch gar nicht! 

Haben Sie wieder Ihren eigenen Beitrag nicht gelesen!? 

Ich kenne eigentlich keinen Wanderarbeiter,  der nicht zurück will!  Die haben Familie zu hause und bauen sich dort was auf. 

Die wenigen, wo das anders ist,  …. da ist meist was im Busch! 

Die werden gesucht,  sind von der Familie verstoßen,  ….

Hier geht es um Kinder,  die im Land geboren wurden!  Die haben ein Recht darauf. 

In der Regel ist wohl auch das eine Frage von Korruption! 

Den Kinder entstehen dadurch erhebliche Nachteile! 

sf
Gast
sf
1. September 2018 2:25 pm
Reply to  STIN

Auch wenn Sie das wieder löschen,  ich bleibe 

im vollem Umfang dabei. 

Kinder haben auch Rechte!!!!

Wenn die Eltern etwas falsch gemacht haben 

SOLLTEN, darf deswegen den Kinder absolut

 überhaupt keine Nachteile entstehen! KEINE! 

 

Den Kindern und Erwachsenen entstehen 

ständig Nachteile,  wenn die zuständigen 

Beamtinnen so unverschämt viel Zeit lassen. 

Die neuste Schikane,  Kinder in der Einbürgerung

Müssen bei der 30-Baht-Versicherung,  jetzt

50 Baht pro Behandlung zahlen. 

Es gibt hier Leute,  die sind vi

von Hier und Neid zerfressen,  das spottet

 jeder Beschreibung.

Das kommt sicher auch von STIN. 

Dann hat sich das für den 

Papierflieger ja richtig gelohntgelohnt! 

Sprachkenntnisse,  sollte bei Kindern,  

die hier geboren wurden sicher  nicht 

das Problem sein. 

Die brauchen auch keine Test zu machen

die legen ihre Zeugnisse vor. 

Das war wohl bei den STINs wohl mehr 

Sklavenhaltung!? 

Der neue Immi-Palast ist immer noch nicht fertigfertig (s o) 

Aber das erste Visaoffice ist direkt vor der Tür schon fertig. 

Langsam glaube ich auch,  die Kinder wären besser außerhalb THs aufgehoben. 

Aber es sind nur 1-2% , die so sind! 

sf
Gast
sf
11. September 2018 3:37 pm
Reply to  STIN

Die müßten letzte Woche wieder anfange, weil was fehlte. Diesmal mußte der Dorfbürgermeister  seine ID Kopie abgeben. 

Der kündigte gleich an,  er wäre 3Tage auf Parchum und könnte nicht kommen. 

Ich bewundere die Ruhe und Unterwürfigkeit der Frau. 

Heute war wohl eine junge Beamtin aus Bkk da und (?) angeblich wären jetzt die Unterlagen unterwegs nach BKK. 

Nach meinem bescheidenen Überblick,  würden zwei bis drei solcher Mitarbeiter,  das ganze Sachgebiet inklusive Wasserkopf ersetzen. 

Ich habe schon mehrmals gesagt,  der ganze Kram gehört an die Lokalverwaltung angeliefert. Der GANZE! 

Die brauchen dann dort natürlich ein neues Sachgebiet.