Kann man Thailand als “gescheiterten Staat” betrachten?

Der thailändische Kolumnist Voranai Vanijaka fuhr letzte Woche aus seiner Soi auf die Witthayu Road und wurde danach beim U-Turn von Wachen der PDRC angehalten. Auch andere Autofahrer mussten stoppen, nachdem ein Konvoi der PDRC aus dem Lumpini-Park kam. Nach ca 15 min löste sich der Stau wieder auf.
Man fragt sich nun: ist Thailand ein gescheiterter Staat? Wer ist der Verantwortliche?
Wo ist die Staatsgewalt, die Polizei die alleine berechtigt wäre, den Verkehr anzuhalten.

4 Merkmale müssen gegeben sein, um von einem “gescheiterten Staat zu sprechen.
Verlust der Kontrolle über das Staatsgebiet oder einen Teil davon oder das Monopol der rechtmäßigen physischen Gewalt in diesem Gebiet. Verhinderung der legitimen Befugnis, gemeinsame Beschlüsse zu fassen. Das Unvermögen, Dienstleistungen der Öffentlichkeit anzubieten. Die Unfähigkeit, mit anderen Staaten zu interagieren und so ein vollständiges Mitglied der internationalen Gemeinschaft zu sein.
Betrachtet man das erste Merkmal – ohne das Gebiet um den Tempel Preah Vihear einzubeziehen –, so ist der Konflikt in den südlichen Provinzen Yala, Pattani und Narathiwat ein gutes Argument dafür. Es ist immer noch thailändisches Territorium, unter militärischer Herrschaft, aber auch über das Militär hat die Regierung keine Kontrolle.
Damit eine Regierung das Monopol der legitimen physischen Gewaltausübung innerhalb der Staatsgrenzen erhalten kann, müssen Polizei und Militär die Verantwortung haben, im Gegensatz zu Warlords, Milizen oder terroristischen Gruppen.
Wen man das o.g. betrachtet, kann Thailand als gescheiterter Staat bezeichnet werden, und das schon seit Jahren. Rivalisierende politische Gruppen haben bewiesen, dass sie die Straßen der Hauptstadt besetzen können. Ganz zu schweigen von der Erstürmung diverser Verwaltungsgebäude.
Die Übergangsregierung hat die Kontrolle über die Polizei, aber ein schlechtes Verhältnis zum Militär. Die Polizei hat wenig Kontrolle über die Hauptstadt und teilt sich die Pflicht des Sicherheitsdienstes mit dem Militär. Weiters hat diese Regierung nun bereits fast die Kontrolle über sämtliche Ministerien verloren. Kaum ein oberster Beamter bzw. ein permanenter Sekretär folgt noch dieser Regierung.
2010 hatte die Regierung der Demokratischen Partei ein schlechtes Verhältnis zur Polizei, und kollaborierte mit dem Militär. Als physische Gewalt notwendig wurde, kam das Militär zum Zug.
Weder das eine noch das andere Beispiel deutet auf ein staatliches Monopol von legitimer staatlicher Gewalt hin.
Das zweite Merkmal ist die Verhinderung der legitimen Befugnis, gemeinsame Beschlüsse zu fassen. Es gibt keine zentrale Behörde, die gemeinsame Entscheidungen treffen kann. Insbesondere nicht im Parlament, denn es gibt gar kein Parlament mehr. Gleichzeitig drohen Yingluck und dem Kabinett Amtsenthebungsverfahren.
Mehrere Behörden liegen miteinander im Streit und werfen sich gegenseitig vor, entweder die Partei der Pheua Thai oder der PDRC zu ergreifen.
Was das dritte Merkmal betrifft, so kann Thailand sehr wohl noch der Öffentlichkeit Dienstleistungen anbieten, wenn auch schlecht. Die Müllabfuhr funktioniert, es gibt Strom und Wasser. Öffentliche Busse fahren auch noch, wenn auch mit manchmal Irren hinter dem Steuer.
Das vierte Merkmal ist die Unfähigkeit, mit anderen Staaten als vollständiges Mitglied der Weltgemeinschaft zusammen zu arbeiten.
Unsere diplomatischen Beziehungen und Handel werden fortgesetzt, wir können aber keine Verträge unterzeichnen.
Damit kommen wir wieder zum zweiten Merkmal: Thailand kann zurzeit keine gemeinsamen Entscheidungen treffen, daher sind gemeinsame Aktionen mit anderen Nationen problematisch.
Was die vier Merkmale betrifft, so scheint Thailand also nur ein funktionierender Staat zu sein, was Dienstleistungen an der Öffentlichkeit betreffen. Wir sind in den anderen Punkten vielleicht kein vollkommen gescheiterter Staat, aber wir funktionieren ganz sicher nicht mit ganzer Kraft

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hanseat
Gast
hanseat
29. April 2014 5:15 am

Moin an die Runde,
nach mehrmaligem Durchlesen des Kommentars des thailändischen Kolumnisten Voranai Vanijaka ist mir folgendes aufgefallen, das ich es einmal hier eingeben möchte.
Unter anderem steht dort: „..Die Polizei hat wenig Kontrolle über die Hauptstadt und teilt sich die Pflicht des Sicherheitsdienstes mit dem Militär…“

Dass die Polizei keine Kontrolle über die Hauptstadt hat, kann man so sehen, nur, liebe Forumskollegen, hat sie, die Polizei, überhaupt die Kontrolle über das gesamte Staatsgebiet?
Wenn oppositionelle Politiker in den von der UDD okkupierten Gebiete, den sogenannten von Roten befreiten Dörfern, nur unter Lebensgefahr und ohne Polizeischutz versuchen können, sich der Wahlbevölkerung zu präsentieren, so zeugt es von a) keine Kontrolle oder b) nicht gewollter Kontrolle durch die Polizeikräfte. Und, das sollten wir nicht vergessen, die Polizei in Thailand wird einzig und allein von Dubai aus geleitet. Also können wir annehmen, dass aus Dubai kein Interesse daran besteht, oppositionelle Politiker im Wahlkampf die freie Entfaltung ihrer Meinung und Darstellung ihrer Programme zu dulden. Soviel von den von der PT und unseren Roten Farangs geforderten sogenannten „freien“ Wahlen, die nun unverzüglich stattzufinden haben.