Jörg Buck (GTCC) zur thailändischen Wirtschaft

Der Militärputsch hat nicht nur in internationalen Medien hohe Wellen geschlagen. Auch an den vielen Auswanderer-Stammtischen stellten die Auswirkungen der Verhängung des Kriegsrechts auf die thailändische Wirtschaft ein vielfach diskutiertes Thema dar. Viele „selbsternannte Wirtschaftsexperten“ prophezeiten der Ökonomie des Landes den MegaGau. Doch wie sieht die Situation wirklich aus? Jörg Buck, Geschäftsführer der Deutsch-Thailändischen Handelskammer (GTCC), und unterhielt sich mit dem Wirtschaftsexperten über den „Teflon-Effekt“ der thailändischen Wirtschaft, die Attraktivität des Networkens für im Königreich ansässige deutsche Unternehmen, den gemeinsamen Markt südostasiatischer Staaten (AEC) und die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Thailand.

 

Vor zweieinhalb Jahren übernahm Jörg Buck das Ruder der GTCC in Bangkok und hat für frischen Wind in der Führungsetage der Handelskammer gesorgt. Mit der Weiterentwicklung des deutschen Wirtschafts-Stammtisches zu einer regelmäßigen Networking-Veranstaltung, zusammen mit den anderen an der Ostküste agierenden ausländischen Handelskammern, hat die GTCC auch in der Touristenmetropole ihre Präsenz erhöht, mit großem Erfolg. Buck hingegen gibt sich bescheiden: „Mein Prinzip ist, dass wir als Kammer verschiedene Sachen ausprobieren und Projekte, die sich als erfolgreich erweisen, weiterentwickeln und optimieren.“ So war es für den 43-Jährigen vielmehr ein logischer Schritt, die Networking-Veranstaltungen zusammen mit den englischsprachigen Kammern zu organisieren, schließlich benötigt es zur Ausweitung des beruflichen Netzwerks erst einmal ausreichend Menschen, damit man auch tatsächlich die Möglichkeit erhält, die Geschäftskontakte auszubauen. „In der Region Ostküste, mit den großen Indsutriegebieten vor der Haustür, muss man einfach die Realitäten berücksichtigen. Die ansässige Industrie ist ausländisch geprägt, wir Deutschen sind zwar ein wichtiger Investor, doch es ist notwendig, auch mit den anderen Nationen zusammenzuarbeiten. Denn mit dem strukturellen Kontakt und Austausch, insbesondere auch mit den Asiaten, erhöhen wir die Attraktivität unseres Business-Netzwerks“, erklärt Buck.

Gemeinsam das Netzwerk ausbauen

Aufgrund des großen Zuspruchs soll dieses international geprägte Networking-Konzept schon bald auch auf andere Regionen des Landes übertragen werden. Buck verrät: „Als strategische Wirtschaftsregion – insbesondere für uns Deutsche – ist Phuket sehr interessant, vor allem im Tourismussektor, weshalb wir dort gemeinsam mit den anderen Kammern ein- bis zweimal im Jahr Treffen organisieren wollen. Auch Chiang Mai als wichtiger Standort der IT- und Telekommunikationsbranche – Stichwort „Creative City Chiang Mai“ – ist für uns sehr attraktiv. Auch dort wollen wir zusammen mit den anderen Handelskammern unsere Präsenz vor Ort stärken. Etwas Neues, wo­rüber wir gerade intensiv nachdenken, ist zudem die Bildung des „Western Seaboard“, sprich die Region Hua Hin, wo die Immobilienbranche stark vertreten ist, aber auch viele Europäer leben, die wirtschaftlich sehr erfolgreich sind. So gibt es dort bereits einen sehr lebendigen deutschen Stammtisch. Als Kammer-Netzwerk möchten wir probieren, einen Mehrwert einzubringen, indem wir andere zusammenführen.“

Von Laem Chabang aus in die ganze Welt. Mit einer hohen Exportquote gilt die thailändische Wirtschaft als krisensicher. 
Auf die Frage, ob die GTCC durch das Networking-Konzept auch für kleinere in Thailand agierende deutsche Unternehmen attraktiver wird, antwortet Buck: „Ich denke das sind wir ohnehin schon, schließlich zählen wir auch immer mehr Jungunternehmen zu unseren Mitgliedern. Letztes Jahr hatten wir erstmals über 500 Mitglieder und werden in diesem Jahr voraussichtlich die 550-Marke brechen. Unsere Vision ist, das GTCC-Netzwerk auf 600 Mitglieder auszuweiten, jedoch mit einer gesunden und nachhaltigen Wachstumsstrategie im Sinne des „corporate“, denn wir wollen ja das Unternehmerische stärken.“

Die AEC verändert die Prioritätenliste

Ein Dauerthema der vergangenen Wochen, nicht nur unter deutschsprachigen Expats, stellten die Schlagzeilen deutscher Medien dar, dass der Volkswagen-Konzern in Betracht zieht, ein Werk in Thailand zu errichten. „Die Nachrichtenwelle, die in den zurückliegenden Wochen in deutschen Medien erzeugt wurde, zeigt für mich vor allem die Aufregung, Gespanntheit und Freude auf, die wir haben würden, wenn Volkswagen in die Region käme. Das ist jedoch als ein Prozess zu begreifen, und bisher gibt es da keine News, nur was ohnehin aus den Medien bekannt ist. Der Antrag wurde eingereicht, und nun laufen die Abstimmungsgespräche, ob er auch tatsächlich angenommen wird“, erklärt Buck. Auf die Frage, warum der größte Autobauer Europas vergleichsweise spät in der Region aktiv wird, antwortet der Wirtschaftsexperte: „Da müssen Sie bei Volkswagen nachfragen. Doch im Allgemeinen sind Entscheidungen wie diese immer eine Frage der Marktreife. Bei einem global agierenden Unternehmen wie Volkswagen gibt es schlichtweg Prioritäten, wie Regionen bearbeitet werden, und da stand die ASEAN-Region bislang nicht auf der höheren Prioritätenliste, was sich jetzt jedoch geändert zu haben scheint.“

Das in den vergangenen Monaten vielerorts heiß diskutierte Dauerthema, ob sich der Militärputsch positiv oder negativ auf die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen ausgewirkt hat, empfiehlt Buck differenziert zu sehen: „Wir können auf eine 150-jährige Handelsbeziehung zwischen Deutschland und Thailand zurückblicken, und mit 50 Jahren vor Ort in Bangkok stellen wir eine der ältesten Handelskammern der Region dar. Wo wir wirtschaftlich gefragt sind, stehen wir beratend zur Verfügung, in die Politik mischen wir uns nicht ein. Jedes Unternehmen, das den thailändischen Markt strategisch betrachtet, ist sich stets der Risiken und politischen Rahmenbedingungen bewusst. Es sprechen einfach viele makroökonomische Daten für den Standort Thailand. Geostrategisch und aus langfris­tiger Perspektive betrachtet, drängt sich das Königreich als Investitionsstandort sogar geradezu auf, insbesondere, wenn es um die Produktion geht. Die Reife der Industrieinfrastruktur und die Logistik sind im Vergleich zu den Nachbarländern hervorragend.“

Mit „Teflon-Effekt“ Krisen überstehen

Die Frage, ob die Verhängung des Kriegsrechts die deutsch-thailändischen Handelsbeziehungen negativ beeinflusst hat, möchte der GTCC-Geschäftsführer mit einem klaren Nein beantworten: „Wir als Handelskammer haben die ganze Zeit durchweg regulär funktioniert. Auch aus der Kaufmann- und Unternehmerschaft haben wir durchweg das Feedback erhalten, dass die Betriebsstätten, die Logistik und das Produzieren weder von den politischen Unruhen noch durch den Militärputsch beeinträchtigt wurden. Anders sah es natürlich im Tourismussektor aus, in dem wir Deutschen jedoch nur mit einem kleinen Anteil vertreten sind.“ Dass Indus­trie und Handel sich unbeeindruckt von den politischen Geschehnissen zeigten, führt Buck auf den sogenanten „Teflon-Effekt“ der thailändischen Wirtschaft zurück: „Mit einer Exportquote von 70 Prozent und den sehr ausgeprägten regionalen Verflechtungen ist die thailändische Wirtschaft geradezu entkoppelt von politischen oder sonstigen Krisen, was auch die jüngsten Unruhen wieder gezeigt haben. Als Exportnation ist das Land stark aufgestellt, Nahrungsmittel – Stichwort „Kitchen of the World“ – landwirtschaftliche Erzeugnisse und Naturprodukte wie Kautschuk sind „Top Seller“. Vor allem im Bereich Elektrotechnik und Automobilteile stellt das Königreich für Deutschland einen wichtigen Handelspartner dar.“

Thailands Chancen in der AEC

Ein weiteres Thema, das unter Expats ebenso oft mit vielen Falschinformationen leidenschaftlich diskutiert wird, stellt die ASEAN-Wirtschaftsgemeinschaft (AEC) dar, die ab 2016 in Kraft tritt. Die vielmals für Thailand prophezeite Bedrohung, insbesondere durch billige Arbeitskräfte aus den Nachbarländern, möchte Buck entkräften: „Natürlich ist die Rede von einer Arbeitnehmerfreizügigkeit, wie wir sie auch aus Europa her kennen. Schaut man sich das Vertragswerk aber einmal genau an, wird man feststellen, dass diese jedoch stark reglementiert ist. Vielmehr ist die AEC der Inbegriff der kompletten Region. Wir hatten eben das Thema Automotive, für Großinvestoren wie Volkswagen ist der lokale Markt entscheidend. Man schaut, welche Player hat man denn noch in der ASEAN-Region? Indonesien stellt in diesem Zusammenhang zum Beispiel mit rund 240 Millionen Einwohnern ein echtes Schwergewicht dar. Direkt vor der Haustür befinden sich zudem sich entwickelnde Märkte wie Myanmar, Laos und Kambodscha. Durch die AEC werden diese Länder quasi zusammengeschaltet, so dass ein unwahrscheinlich großer Binnen­markt entsteht, was wiederum für Investoren wie Volkswagen, aber auch für den deutschen Mittelstand hoch interessant ist. Thailand als gut entwickeltes Industrieland kann von der AEC in diesem Sinne nur profitieren.“ Auch für die lokale Wirtschaft sieht Buck große Chancen: „Momentan haben wir einen Intra-ASEAN-Handel von knapp 25 Prozent. Zum Vergleich: der Intra-EU-Handel beträgt 60 Prozent, trotz Steigerungen im Handel mit Drittländern, was die Wachstumsmöglichkeiten exemplarisch aufzeigt. Es wird vermutet, dass die Geschäftstätigkeiten innerhalb der AEC in den ersten fünf Jahren um zehn Prozent zunehmen werden. Dieses Potential für die Lokalwirtschaft muss jedoch noch intensiver vermittelt werden. Als wichtiger Motor der ASEAN erscheint es in diesem Zusammenhang wichtig, dass Thailand schon bald mit einer demokratisch legitimierten Regierung wieder „back on track“ ist.“

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Rolf46
Gast
Rolf46
9. Oktober 2014 1:49 am

„Momentan haben wir einen Intra-ASEAN-Handel von knapp 25 Prozent. Zum Vergleich: der Intra-EU-Handel beträgt 60 Prozent, trotz Steigerungen im Handel mit Drittländern, was die Wachstumsmöglichkeiten exemplarisch aufzeigt.

Vergessen wird von dem Optimisten aber dabei, dass beim “Intra-Asean-Handel” Staaten mit unterschiedlich starken eigenen Währungen beteiligt sind, so dass genau wie beim Handel mit Drittländern der vergleichsweise zu anderen Asean-Ländern viel zu starke Baht die thailändischen Waren teuer und damit weniger konkurrenzfähig macht.

Als wichtiger Motor der ASEAN erscheint es in diesem Zusammenhang wichtig, dass Thailand schon bald mit einer demokratisch legitimierten Regierung wieder „back on track“ ist.“

Wenn es darauf tatsächlich ankäme, ..sehe ich ziemlich schwarz für “back on track” 😉

emi_rambus
Gast
emi_rambus
6. Oktober 2014 11:55 pm

Danke! Viele gute Infos!

Als Exportnation ist das Land stark aufgestellt, Nahrungsmittel – Stichwort „Kitchen of the World“ – landwirtschaftliche Erzeugnisse und Naturprodukte wie Kautschuk sind „Top Seller“.

Also ein typischses “Schwellenland”!
Ich sehe die grossen Exporte bei Agrar-Produkten und Meeresfruechten nicht so positiv, weil sie im Inland nur zu Preiserhoehungen gefuehrt haben.
Die Exporte von Reis sind durch den hohen Wasserverbrauch in meinen Augen schon fast negativ!
Thailand muss den Selbstversorgungsanteil erhoehen und in die Eigenproduktion einsteigen.