Von den iranischen Atomanlagen nach Ostasien – ein gefährliches Vorbild

Die jüngsten militärischen Angriffe Israels und der USA auf iranische Atomanlagen haben weltweit für Unruhe gesorgt – und liefern ein eindringliches Beispiel dafür, wie riskant eine nukleare Aufrüstung sein kann. Für Südkorea, das immer wieder mit dem Gedanken einer eigenen Atombewaffnung spielt, sind die Ereignisse vom Juni eine deutliche Warnung.

Am 13. Juni startete Israel gezielte Luftschläge auf iranische Nuklearanlagen sowie Attentate auf hochrangige Militärs und Wissenschaftler – mit der Begründung, Teheran sei der Herstellung einer Atombombe gefährlich nahe. Neun Tage später griffen die USA ebenfalls iranische Einrichtungen an. Was sich als gezielte Unterbindung einer nuklearen Bedrohung darstellt, hat das Potenzial, internationale Normen weiter zu schwächen – und unbeabsichtigte Nachahmer zu ermutigen.

Nukleare Ambitionen – Iran versus Südkorea

Südkorea ist in vielerlei Hinsicht das Gegenteil des Iran: eine stabile Demokratie, eng mit dem Westen verbunden und wirtschaftlich integriert. Dennoch eint beide Staaten ein geopolitisches Dilemma – sie stehen jeweils einem atomar bewaffneten Rivalen gegenüber. Während der Iran bereits fortgeschrittene Anreicherungsfähigkeiten besitzt, bleibt Südkorea in dieser Hinsicht weit zurück – nicht zuletzt durch bilaterale Abkommen mit den USA, die eine Anreicherung auf unter 20 Prozent begrenzen.

Trotzdem fordern Teile des politischen Spektrums in Seoul immer wieder, die sogenannten 123-Abkommen neu zu verhandeln, um eine „nukleare Option“ in der Hinterhand zu behalten. Die Idee: Eine sogenannte „latente Abschreckung“ – also die technische Fähigkeit, in einer Krise schnell zur Bombe zu gelangen.

Lehren aus dem Nahen Osten

Doch Israels Vorgehen gegen Teherans Atomprogramm zeigt die Risiken einer solchen Strategie: Eine latente Abschreckung schützt nicht vor Präventivschlägen. Was Israel gegen den Iran als Selbstschutz bezeichnet, könnte Nordkorea in einem ähnlichen Fall als Vorwand für Angriffe auf südkoreanische Anlagen nutzen – insbesondere, wenn Seoul in Zukunft Anreicherungsanlagen oder Wiederaufbereitungsprogramme aufbaut.

Hinzu kommt: Im Gegensatz zum Iran steht Südkorea unter dem nuklearen Schutzschirm der USA. Ein Ausstieg aus dieser erweiterten Abschreckung wäre nicht nur politisch riskant, sondern würde genau jene Eskalation auslösen, die man durch eigene Atomwaffen eigentlich verhindern will.

Technische und politische Hürden

Ein geheimer Weg zur Bombe – wie manche ihn nach israelischem Vorbild fordern – erscheint ohnehin kaum realistisch. Internationale Kontrollen durch die IAEO und die umfassende Überwachung der koreanischen Halbinsel machen eine unbemerkte Entwicklung extrem unwahrscheinlich. Selbst im hypothetischen Erfolgsfall stünde Südkorea vor dem Dilemma, die Wirksamkeit seiner Abschreckung nicht durch einen Atomtest nachweisen zu können – was den strategischen Nutzen fragwürdig macht.

Zudem könnten andere Atommächte – etwa Russland – auf Präzedenzfälle wie Israel verweisen, um südkoreanische Anlagen im Ernstfall als legitime Ziele zu deklarieren. Das Beispiel des ukrainischen AKWs Saporischschja zeigt, wie gering die Hemmschwelle in manchen Hauptstädten mittlerweile ist.

Was Seoul jetzt tun sollte

Präsident Lee Jae-myung hat klar gemacht, dass seine Regierung keine nukleare Aufrüstung anstrebt. Doch auf lange Sicht braucht es mehr als politische Willensbekundungen. Die Regierung sollte konkrete Maßnahmen ergreifen, um eine künftige Umnutzung der zivilen Atomindustrie für militärische Zwecke zu erschweren.

Ein möglicher Schritt: Südkoreas Anreicherungskapazitäten durch sogenannte „Blackbox“-Technologien oder ausländische Partner absichern – so bliebe die zivile Nutzung gewährleistet, die Tür zur Bombe aber geschlossen.

Fazit

Die Angriffe auf den Iran zeigen: Nukleare Latenz ist keine Garantie für Sicherheit – im Gegenteil, sie kann zur Zielscheibe machen. Für Südkorea wäre der Weg zur Atombombe kein Schritt zu mehr Abschreckung, sondern einer in Richtung Instabilität, internationaler Isolation und potenzieller Eskalation.

Ein sicherer Weg führt über Diplomatie, Allianzbindung – und eine klare Absage an die Bombe.

 

STIN // AI

Von stin

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