In einer beispiellosen Aktion haben die Vereinigten Staaten und das Vereinigte Königreich ihre bislang größte koordinierte Offensive gegen internationale Cyberkriminalität gestartet. Ziel: ein weitverzweigtes Netzwerk in Südostasien, das mit Online-Betrug und Menschenhandel weltweit Milliarden erbeutet haben soll.
Im Zentrum der Ermittlungen steht die in Kambodscha ansässige Prince Group, angeführt vom 38-jährigen Unternehmer Chen Zhi. Laut US-Finanzministerium soll die Organisation ein kriminelles Imperium errichtet haben – mit Investitionsbetrug, Erpressung und Zwangsarbeit als Geschäftsmodell. Die Behörden sprechen von einem „System der digitalen Versklavung“, das Opfer mit falschen Jobangeboten köderte und sie in Betrugsfabriken einsperrte.
Das Office of Foreign Assets Control (OFAC) und das Financial Crimes Enforcement Network (FinCEN) verhängten Sanktionen gegen 146 Ziele aus Chens Netzwerk, darunter Banken, Holdinggesellschaften und Briefkastenfirmen in mehreren Ländern. Auch Großbritannien zog nach und belegte Chen und seine Komplizen mit Strafmaßnahmen.
Besonders brisant: Die Huione Group, ein Finanzdienstleister mit Sitz in Kambodscha, soll zwischen 2021 und 2025 über 4 Milliarden US-Dollar gewaschen haben – darunter Gelder aus nordkoreanischen Cyberangriffen und sogenannten „Schweineschlacht“-Betrügereien. US-Finanzinstitute dürfen künftig keine Transaktionen mehr mit Huione abwickeln.
US-Finanzminister Scott Bessent bezifferte den Schaden durch transnationalen Betrug auf über 16 Milliarden Dollar – ein Großteil davon gehe auf das Konto der Prince Group. „Wir schützen die Amerikaner, indem wir ausländischen Betrügern das Handwerk legen“, erklärte Bessent.
Die Ermittler werfen Chen vor, auch in Palau aktiv gewesen zu sein. Über die Firma Grand Legend International Asset Management Co. soll er dort eine Insel gepachtet haben, um Resorts mit illegalen Geldern zu errichten.
Besonders erschütternd sind die Vorwürfe gegen die Jin Bei Group – eine Luxus-Casino- und Hotelkette im Prince-Netzwerk. Sie wird mit Fällen von Erpressung, Zwangsarbeit und sogar Mord in Verbindung gebracht. Die US-Staatsanwaltschaft spricht von Zwangsarbeitslagern, in denen Menschen zu Kryptowährungsbetrug gezwungen wurden. Die Erlöse sollen über Online-Glücksspiel und Mining-Firmen gewaschen worden sein.
Am 8. Oktober wurde Chen in Brooklyn wegen Verschwörung zum Überweisungsbetrug und zur Geldwäsche angeklagt. Die Behörden beschlagnahmten 127.271 Bitcoins – ein Gegenwert von 14,2 Milliarden Dollar. Es ist die größte Vermögenssicherung in der Geschichte des US-Justizministeriums.
Die Vermögenswerte der sanktionierten Unternehmen in den USA sind eingefroren, US-Bürgern sind jegliche Geschäfte mit ihnen untersagt. Die Behörden sprechen von einem historischen Schritt zur Zerschlagung von Cyberbetrugs- und Menschenhandelssyndikaten in Südostasien.
Chen Zhi und die Prince Group äußerten sich bislang nicht zu den Vorwürfen.
STIN // AI