Der digitale Fortschritt hat einen gewaltigen Appetit – und Google serviert Atomstrom. Um den explodierenden Energiebedarf seiner Rechenzentren zu stillen, setzt der Tech-Gigant auf eine Technologie, die jahrzehntelang als Auslaufmodell galt: die Kernkraft. Doch diesmal soll alles anders sein – kleiner, sicherer, sauberer. Oder?
⚛️ Der Deal mit der Zukunft
Als erstes Unternehmen weltweit hat Google einen Vertrag mit dem US-Start-up Kairos Power abgeschlossen. Ziel: der Bau von sechs bis sieben kleinen, modularen Atomreaktoren. Der erste soll 2030 ans Netz gehen. Damit will der Konzern nicht nur seine ambitionierten Klimaziele erreichen – bis 2030 will Google bilanziell CO₂-neutral sein – sondern auch die Energieversorgung seiner KI-Rechenzentren sichern.
🤖 KI frisst Strom – und zwar gewaltig
Der Boom rund um Künstliche Intelligenz hat die Nachfrage nach Rechenleistung – und damit nach Strom – in astronomische Höhen katapultiert. Eine einzige Anfrage bei einem KI-Modell wie ChatGPT verbraucht etwa zehnmal so viel Energie wie eine klassische Google-Suche. Laut Prognosen könnte der Stromverbrauch von US-Rechenzentren bis 2030 bis zu neun Prozent der gesamten US-Stromproduktion verschlingen – Tendenz steigend.
🧪 Kairos Power: Hoffnungsträger mit Prototyp
Kairos Power, gegründet 2016, hat bislang keinen einzigen Reaktor in Betrieb. Doch das Start-up setzt auf eine Technologie, die als besonders vielversprechend gilt: Flüssigsalzreaktoren der vierten Generation. Statt Wasser kühlen flüssige Fluorid-Salze den Reaktorkern – ein Verfahren, das bei Störfällen sicherer sein soll. Im Ernstfall verfestigt sich das Salz und verhindert eine Kernschmelze. Noch ist alles Theorie: Der erste Testreaktor wurde erst 2023 genehmigt.
🌍 Sauber oder nur sauber gerechnet?
Zwar verursacht Kernkraft im Betrieb kaum CO₂ – doch die Schattenseiten bleiben: hochradioaktiver Müll, ungelöste Endlagerfragen und Emissionen entlang der gesamten Produktionskette. Kritiker warnen daher vor einem „grünen Feigenblatt“ für energiehungrige Konzerne.
🏭 Auch Microsoft und Amazon setzen auf Atom
Google ist nicht allein. Auch Microsoft hat sich Atomstrom gesichert – unter anderem aus einem reaktivierten Reaktor in Three Mile Island, einst Schauplatz des schwersten Atomunfalls in den USA. Amazon investiert ebenfalls in nukleare Energiequellen, um seine Rechenzentren zu betreiben.
☀️ Gibt es Alternativen?
Ja – und sie sind bereits in der Erprobung. Microsoft etwa baut in Kenia ein Rechenzentrum, das vollständig mit Geothermie betrieben wird. Das Start-up Exowatt, unterstützt von OpenAI-Chef Sam Altman, entwickelt modulare Solaranlagen, die Wärme speichern und rund um die Uhr Energie liefern sollen – ganz ohne Uran.
🧩 Fazit: Atomkraft als Notlösung oder Zukunftsmodell?
Die Energiewende der Tech-Giganten ist in vollem Gange – und sie ist ein Wettlauf gegen die Uhr. Ob Mini-Reaktoren die Antwort auf den KI-Stromhunger sind oder nur ein riskanter Zwischenschritt, bleibt offen. Klar ist: Der digitale Fortschritt braucht Energie – und die Frage, woher sie kommt, wird zur Schicksalsfrage des 21. Jahrhunderts.
STIN // AI