7000 Rohingyas treiben in Booten hilflos im Meer

Vor Thailand, Malaysia und Indonesien spielt sich ein Drama auf dem Meer ab: Tausende Flüchtlinge treiben dort in Booten, teils seit Monaten. Sie schweben in Lebensgefahr und hoffen auf Rettung – doch was, wenn die falschen Helfer kommen?

Wirklich seetüchtig ist das Boot nicht. Dass sich rund 500 Menschen darauf drängen, verschärft die Lage. An Bord: Familien, die aus Burma kommen oder Bangladesch und die schon Wochen, wenn nicht Monate auf dem Meer treiben. Seenot als Dauerzustand in der Straße von Malakka. 
Doch Thailand, das Land ihrer Träume, erreichen die Menschen nicht. Stattdessen driftet ihr Boot am Montagabend in indonesische Gewässer. Plötzlich Lichter am Horizont, ein anderes Schiff, es ist die indonesische Marine. Die Bootsflüchtlinge bitten um Hilfe, die Matrosen geben ihnen Wasser, Proviant, ein paar Medikamente.Der Kapitän des Schiffes bietet an, das Migrantenboot an die Küste zu schleppen, in einen indonesischen Hafen im Norden der Provinz Aceh. Doch die Passagiere lehnen ab: „Sie wollten nicht nach Indonesien“, sagte ein Sprecher der indonesischen Marine am Dienstag zu dem Vorfall. Also hätten die Matrosen dem Flüchtlingsboot den Kurs nach Malaysia gezeigt und seien dann abgedreht.

LHOKSUKON, ACEH, INDONESIA - MAY 12: Rohigya migrants rest inside a shelter on May 12, 2015 in Lhoksukon, Aceh province, Indonesia. Boats carrying over 500 of Myanmar's Rohingya refugees have arrived in Indonesia, many requiring medical attention. They have warned that thousands more are thought to be still at sea. Myanmar's Rohingya Muslim community have long been persecuted and marginalized by Myanmar's mostly Buddhist population.  (Photo by Ulet Ifansasti/Getty Images)

In der Straße von Malakka, zwischen den Küsten Thailands, Malaysias und Indonesiens, spielt sich derzeit ein Drama ab. Von den 8000 Bootsflüchtlingen, die sich in den vergangenen Wochen auf den Weg gemacht haben, seien noch bis zu 7000 auf See. Das sagte der Sprecher der Internationalen Organisation für Migration (IOM), Joe Lowry, am Dienstag. Einige der Migranten seien sogar bereits seit Monaten unterwegs – in jämmerlichen Booten mit schlechter Versorgung.

Die Massenflucht der Rohingya

„Die Lage ist hochdramatisch“, so Meenakshi Ganguly, Direktorin der Südasien-Abteilung von Human Rights Watch, zu SPIEGEL ONLINE. Vor den Küsten Südostasiens ereigne sich eine Tragödie. „Die internationale Gemeinschaft muss unverzüglich zusammenkommen und einen Notfallplan ausarbeiten, um diese Menschen zu retten“, so Ganguly. In den vergangenen Tagen sind bereits mehr als 1500 Flüchtlinge von Booten gerettet worden, sowohl in Indonesien als auch in Malaysia.

Bei den Flüchtlingen handelt es sich in der Mehrheit um Angehörige der muslimischen Minderheit der Rohingya, die vor allem in Burma, aber auch im benachbarten Bangladesch heimisch sind. Vor allem im vornehmlich buddhistischen Burma stünden die Rohingya „unter extremem Druck“, so Ganguly.

Allein dort leben etwa eine Million Rohingya. Sie dürfen sich nicht frei im Land bewegen und werden von der eigenen Regierung als artfremde Einwanderer klassifiziert. Buddhistische Extremisten griffen 2012 und 2013 Dörfer der Rohingya an, seitdem leben etwa 100.000 von ihnen in Flüchtlingslagern. Auch Bangladesch diskriminiert die ethnische Minderheit. Dort hausen rund 200.000 Angehörige der Gruppe in Lagern.

Ungewisses Schicksal

Die Verfolgung hat die Flüchtlingszahlen in diesem Jahr stark steigen lassen, berichtet das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen UNHCR. Zwischen Januar und März diesen Jahres seien bereits 25.000 Bootsflüchtlinge von Bangladesch und Burma aus in See gestochen. Das seien doppelt so viele wie im Vorjahreszeitraum. Etwa 300 der Bootsflüchtlinge hätten ihre Reise nicht überlebt.

Bis vor Kurzem war Thailand die erste Anlaufstelle für die Bootsflüchtlinge, die ihre Reise im Golf von Bengalen beginnen. Von dort aus wurden sie von Schleppern und Menschenhändlern über Südostasienverteilt. In der vergangenen Woche entdeckte die thailändische Polizei ein Massengrab mit 33 Leichen – vermutlich Flüchtlinge, die von ihren Schleppern verscharrt wurden. Wie sie gestorben sind, ist unklar.

Die Regierung in Bangkok ordnete zuletzt ein hartes Vorgehen gegen die Menschenschmuggler an, weshalb die Boote derzeit nicht in Thailand anlanden können. „Die Flüchtlinge versuchen anscheinend, direkt bis nach Malaysia weiterzufahren“, so Ganguly. Dabei hätten sich viele verirrt.Aus gutem Grund wollen die Migranten lieber nach Malaysia als nach Indonesien. Malaysia als prosperierendes muslimisches Land hat sich den Glaubensbrüdern aus Burma gegenüber in der Vergangenheit großzügig gezeigt – auch weil die Rohingya billige Arbeitskraft ins Land bringen.

Am Dienstag erklärte die Regierung in Kuala Lumpur, sie werde wenn nötig neue Auffanglager für die Bootsflüchtlinge eröffnen. In Indonesien hingegen erwartete die Flüchtlinge ein ungewisses Schicksal. Menschenrechtler Ganguly: „Indonesien würde sie retten, dann aber wieder abschieben.“

Zusammengefasst: Tausende Flüchtlinge wollen raus aus Burma und Bangladesch: Dort leben sie in Armut oder werden diskriminiert – allen voran die Minderheit der Rohingya. In Booten versuchen sie, nach Thailand oder Malaysia zu gelangen. Doch nicht alle überstehen die gefährliche Reise. Trotzdem wollen sie sich nicht von Ländern wie etwa Indonesien retten lassen. Denn dort, so fürchten sie, ginge es ihnen kaum besser als zu Hause.

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