Mordfall Koh Tao: Angeklage treten in den Zeugenstand

Mit der Wiederaufnahme des Koh Tao Doppelmord-Verfahrens am Dienstag tritt die Verteidigung der Beschuldigten Burmesen Zaw Lin und Wai Phyo in die entscheidende Prozessphase. Beide Angeklagten werden im Zeugenstand aussagen, wie sie die Tatnacht erlebt haben.

Das siebenköpfige Verteidigungsteam um den Chefjuristen Nakhon Chomphuchat verbrachte gestern viele Stunden im Provinzgefängnis von Koh Samui. Gemeinsam mit den beiden burmesischen Dolmetschern und dem britischen Menschenrechtler Andy Hall bereiteten sie Zaw Lin und Wai Phyo, vor Gericht als Angeklagte 1 und Angeklagte 2 beschuldigt, auf ihre Aussagen vor.

Die heute 22 Jahre alten ehemaligen Gastarbeiter auf der Insel Koh Tao werden aus ihrer Sicht schildern, wie sie den Abend vor den Morden am 14. September und insbesondere die frühen Morgenstunden des 15.9. 2014 verbracht haben. Die Leichen der britischen Rucksacktouristen David Miller (24) und Hannah Witheridge (23) waren um 5.40 Uhr am ‚Rama V‘ Felsen des Sairee Strandes gefunden worden. Das Mädchen war den Ermittlungen zufolge mindestens von zwei unterschiedlichen asiatischen Männern vergewaltigt worden – in ihr wurden Spermaspuren gefunden, auf deren DNA die Staatsanwaltschaft Surat Thani die Hauptanklage aufbaute.

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In annähernd 150 Verhandlungsstunden vor dem Provinzgericht Koh Samui sind mehr als 30 Belastungszeugen der Anklage aufgetreten, die meisten davon Ermittlungsbeamte der Polizei Koh Phangan, Koh Tao sowie dem Regionalbereich 8 Südthailands. Außerdem Gerichtsmediziner und Laborarbeiter des Polizeilichen Forensischen Institutes Bangkok und alle an den polizeilichen Vernehmungen beteiligten burmesischen Hilfsübersetzer.

Ihre Aussagen – manches Mal widersprüchlich, lückenhaft und häufig von mangelnder Klarheit geprägt – belasteten Zaw Lin und Wai Phyo erheblich. Die burmesischen Gastarbeiter sollen die Männer sein, die am 15. September zwischen 2.30 und 4.30 Uhr morgens das schreckliche Verbrechen begangen haben, das Thailand, das britische Heimatland der Ermordeten und weite Teile der Welt erschütterte.

Interessant dürfte werden, in welcher Verfassung die beiden Angeklagten die Vorgänge der schrecklichen Nacht im September 2014 schildern. Welche weiteren Details kommen dabei zutage? Werden sie glaubwürdig sein und wahrheitsgemäß Auskunft geben, ob sie zu ihren Geständnissen am 2. und 3. Oktober gefoltert worden sind. Und ob die Vernehmungsbeamten sie tatsächlich mit lebendiger Verbrennung bedroht hatten und stundenlangen Psychoterror ausübten?

Verteidiger Nakhon Chomphuchat ist überzeugt, dass seine Mandanten glaubwürdig ihre Wahrheit des Falles schildern können. Wird das allein ausreichen, um die von der Polizei und Staatsanwaltschaft präsentierten Beweisberge wackeln zu lassen? Und: Welche eigenen Zeugen bringt die Verteidigung an den fünf Verhandlungstagen der ersten Septemberhälfte in Position?

Prozessbeobachter erwarten überraschende Manöver des Verteidigungsteams aus Bangkok, das spektakulär kontern muss, um die ihrer Ansicht nach „einseitige Verfahrensführung der Staatsanwaltschaft“ zu unterlaufen. Immer wieder sickerte trotz des Stillschweigens der Verteidigung aus prozesstaktischen Gründen durch, dass die Stunde der Wahrheit in dem umstrittenen Doppelmordfall nahen soll.

Am 11. September kommt mit Thailands Chefforensikerin Dr. Pornthip Rojanasunand eine unabhängige Zweitprüferin noch vorhandener DNA-Spuren nach Koh Samui. Die Verteidigung musste sich monatelang mühen und vor Gericht Überzeugungsarbeit leisten, damit Dr. Pornthip als Zeugin an einem Sonderverhandlungstag vorgeladen wird und ihre Sicht der turbulent-verkorksten Spurensicherung erklären kann.

Weshalb hat die Verteidigung vor wenigen Tagen dann plötzlich eine Kehrwende vollzogen und abgewiegelt, dass aus heutiger Sicht der Neuuntersuchung der Tatortspuren keine große Bedeutung mehr beikommen könnte? Zweifelt sie an der Authentizität noch vorhandener DNA und Beweismittel oder hat sie ein noch dickeres Ass im Ärmel?

Eine Prozessbeobachterin, die vom ersten Tag an diesem Verfahren beigewohnt hat, erklärte am Freitag gegenüber unserer Redaktion: „Alle warten irgendwie darauf, dass die Verteidigung ein weißes Kaninchen aus dem Hut zaubert und die Unschuld ihrer Mandanten beweist.“ Sie selbst sei durch die vielen Ungereimtheiten dieses Verfahrens nicht mehr sicher, was und wem sie glauben könne und wem nicht.

Nach 13 ermüdenden Gerichtstagen mit einer Fülle widersprüchlicher Tatschilderungen scheint die Sehnsucht nach einer klaren und verständlichen Aufklärung des Doppelmordes von Koh Tao grösser denn je. Die Eltern des ermordeten Briten David Miller, die vergangene Woche überraschend wieder als Beobachter des Prozesses nach Thailand geflogen sind, sagten einen berührenden und fast resignierenden Satz: „Manchmal haben wir das Gefühl, als wenn durch die politische Dimension dieses Falles das Schicksal unseres ermordeten Sohnes David nur noch zweitrangig ist….“

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emi_rambus
Gast
emi_rambus
1. September 2015 11:25 pm

<a href="http://www.schoenes-thailand.at">STIN</a>: Andy Hall ist der Organisator der ganzen Anwaltsgruppe. Ohne ihn gäbe es diese gar nicht, weil er hat die Spenden für die Gebühren zusammengetragen.

…. und ich dachte das Geld kaeme aus Burma.

emi_rambus
Gast
emi_rambus
1. September 2015 3:05 am

berndgrimm: So ist es!
An einen Freispruch glaube ich nicht weil dann der Druck auf Neuermittlungen
nach den wirklichen Mördern zu gross würde.
Die beiden werden verurteilt, dann gehen sie in Revision und das Verfahren
wird a la Thai verschoben bis keiner mehr daran interessiert ist.

Die werden wegen Verfahrensfehlern freigesprochen. Was nicht bedeutet sie waeren unschuldig. Damit braucht es auch keine Neuermittlungen.
Ich denke, da koennten hoechstens die Eltern der Ermordeten etwas in Bewegung bringen.
Da bleibt die Frage, ob sie auch schon eine “Abfindung” bekommen haben?

gg1655
Gast
gg1655
1. September 2015 4:37 am
Reply to  STIN

Ich glaube auch an keinen Freispruch.Die wirkliche Beweislage ist eher von geringer Bedeutung vor einem Thailändischem Gericht.
Das geschädigte Ansehen Thailands wenn sich nach notwendiger Aufrollung des Falles doch ein Thai als Täter herausstellt umso mehr.Wenn also konstruierte Beweise nicht eindeutig widerlegt werden gilt in diesem Fall wohl eher die “Schuldvermutung” als wie es normal wäre im Zweifel für den Angeklagten.

berndgrimm
Gast
berndgrimm
1. September 2015 2:11 am

exil: Sollte das Urteil Freispruch lauten, so wird die Vermutung immer größer, dass Einheimische gedeckt werden deren Einfluss sehr groß ist.

Und wieder erinnere man sich an die Mörder von Schwartens. Trotz Geständnis und Videobeweis, keine Anklage. Tja, reicher Thai muss man sein und man kann in gewissen Gegenden Thailands sogar morden ohne dafür zur Verantwortung gezogen zu werden.

So ist es!
An einen Freispruch glaube ich nicht weil dann der Druck auf Neuermittlungen
nach den wirklichen Mördern zu gross würde.
Die beiden werden verurteilt, dann gehen sie in Revision und das Verfahren
wird a la Thai verschoben bis keiner mehr daran interessiert ist.
So kommen die vermutlich wirklichen Thai Mörder auf jeden Fall ungestraft davon.

emi_rambus
Gast
emi_rambus
31. August 2015 8:52 pm

“Viele Koeche verderben den Brei!”

Das siebenköpfige Verteidigungsteam um den Chefjuristen Nakhon Chomphuchat verbrachte gestern viele Stunden im Provinzgefängnis von Koh Samui. Gemeinsam mit den beiden burmesischen Dolmetschern und dem britischen Menschenrechtler Andy Hall bereiteten sie Zaw Lin und Wai Phyo, vor Gericht als Angeklagte 1 und Angeklagte 2 beschuldigt, auf ihre Aussagen vor.

Mich verwirrt das sehr, was dieser Andy Hall da zu suchen hat!
Er ist kein Anwalt/Jurist, die Frage ist, ob er Zugang zu Informationen hat, die nicht an die Oeffentlichkeit gehoeren.
Anwaelte/Juristen eines Mandanten muessen “parteilich” sein. Das kann man von einem “Menschenrechtler” (keine geschuetzte Berufsbezeichnung!) NICHT erwarten. Also ist er auch von vertraulichen Informationen auszuschliessen!

exil
Gast
exil
31. August 2015 4:13 pm

Die Eltern des ermordeten haben mit ihrer Vermutung sicherlich recht, dass es in dem Fall nicht mehr nur um die Aufklärung eines Verbrechens geht, sondern viel mehr darum das Thailänder ihr Gesicht verlieren.

Als erstes natürlich die ermittelnden Polizeibeamten, die vermutlich ein Bauernopfer herbeizaubern mussten um zu vermitteln wie sicher es doch eigentlich in Thailands Touristenhochburgen ist und nur Ausländer diese Verbrechen begangen haben können.

Sollte das Urteil Freispruch lauten, so wird die Vermutung immer größer, dass Einheimische gedeckt werden deren Einfluss sehr groß ist.

Und wieder erinnere man sich an die Mörder von Schwartens. Trotz Geständnis und Videobeweis, keine Anklage. Tja, reicher Thai muss man sein und man kann in gewissen Gegenden Thailands sogar morden ohne dafür zur Verantwortung gezogen zu werden.