Online-Medium Prachatai lehnt sich gegen Pressezensur der Regierung auf

In Thailand drohen Journalisten bei Berichten, die den Königshof oder die Militärregierung kritisieren, empfindliche Strafen. Das Online-Medium «Prachatai» versucht trotzdem, regierungskritischen Journalismus zu betreiben.

Es war nicht so, dass Umesh Pandey keine Drohungen gewohnt war. Doch der Artikel, den Pandey, seit Juli 2016 Chefredaktor der «Bangkok Post», einer der führenden Zeitungen Südostasiens, Anfang Mai in Auftrag gegeben hatte, war zu viel. Er kostete ihn seine Stelle.

«Ich bin für das, woran ich glaube, eingestanden», sagt Pandey bei einem Treffen im Foreign Correspondents’ Club of Thailand im obersten Stock des Maneeya Center in Bangkok. Der 44-Jährige wirkt jugendlich: Gel im Haar, bunte Bänder am Handgelenk.

Der Grund für Pandeys Absetzung war ein von ihm bestellter Artikelüber den historischen Sieg der Opposition bei den Wahlen in Malaysia.Die Aussagen der Wissenschafter und Politiker, die in dem Text zu Wort kommen, werden zusammenfassend mit den Worten wiedergegeben, dass der Sieg «sowohl als Lektion als auch als Warnung für das thailändische Militärregime dienen» solle.

Gespräche zwischen ihm und seinen Vorgesetzten, so erzählt es Pandey, hätten zu keiner Einigung geführt. Weil er sich geweigert habe, den Ton des Blattes zu mildern, sei er zum Assistenten des Chief Operation Officer degradiert worden. «Ich habe die Entscheidungsträger offen wissen lassen, dass ich lieber meine Stelle verliere, als mich dem Druck zu beugen», teilte Pandey später auf seiner Facebook-Seite mit.

Korruption sowie Menschenrechtsverletzungen durch Polizei und Streitkräfte sind in Thailand Alltag; die Organisation Human Rights Watch nennt das Land eine Diktatur. Seit dem Putsch 2014 überwacht das Militärregime verstärkt Medien und Journalisten; Human Rights Watch weiss von Reportern, die für eine «Anpassung» ihrer Haltung bis zu sieben Tage festgehalten wurden.

Die Organisation Reporter ohne Grenzen führt Thailand auf seiner Rangliste der Pressefreiheit auf Platz 140 von 180 Staaten. Riskant ist vor allem ein Verstoss gegen Artikel 112 des Strafgesetzbuches, das Gesetz gegen Majestätsbeleidigung, das als eines der strengsten der Welt gilt. Bei einer Verurteilung drohen bis zu fünfzehn Jahre Gefängnis. Bedroht ist die Pressefreiheit aber auch in anderen Ländern Südostasiens, etwa in Kambodscha, Malaysia, Vietnam und Singapur.

Anrufe um 22 Uhr 30

Umesh Pandey war Versuche der Einflussnahme seitens der Regierung gewohnt. Etwa einmal pro Woche habe jemand aus dem Umfeld der Militärregierung angerufen, sagt er – wegen eines missliebigen Textes oder einer ebensolchen Überschrift. Einmal, erzählt Pandey, habe sein Telefon um 22 Uhr 30 geklingelt. Als er dem Mann am anderen Ende der Leitung erklärt habe, dass sein Anruf etwas spät sei, da schon die Druckmaschinen liefen, habe dieser gesagt, das sei nicht sein Problem.

Wer will da noch Journalist sein? Der Politikwissenschafter Pitch Pongsawat, als Kolumnist, Fernsehkommentator und Talkshow-Master selbst ein Medien-Tausendsassa, beschreibt den Zustand der Medien in Thailand denn auch nur mit einem Wort: «hoffnungslos». «Sie haben keine Zukunft», sagt er bei einem Gespräch in der Chulalongkorn-Universität in Bangkok, wo er lehrt. Viele seiner Studenten versuchten, im Entertainment unterzukommen; wer Sicherheit suche, werde Beamter. Die Möglichkeiten sind jedenfalls beschränkt. «Man muss die Regeln des Spiels akzeptieren», sagt Pongsawat.

Das Online-Medium «Prachatai» («Free People») lehnt sich gegen diese Haltung auf. Das 2004 gegründete unabhängige Portal versteht sich als regierungskritisches Medium. Leiterin und Mitbegründerin ist Chiranuch Premchaiporn. 2012 wurde sie vom Magazin «Newsweek» zu einer der weltweit «150 furchtlosen Frauen» gewählt.

 Einstehen für die Bürger

Die Grenzen zwischen Journalismus und Aktivismus sind bei «Prachatai» fliessend, wie Premchaiporn bei einem Besuch in der Redaktion im Nordosten Bangkoks erklärt. Da es echte Objektivität im Journalismus ohnehin nicht gebe, sei es wichtig, offen die eigene Haltung darzulegen: «Thailands traditionelle Medien vertreten vor allem die Mächtigen», sagt Premchaiporn, «wir stehen für die Bürger ein.» Menschenrechte sowie soziale Bewegungen sind Schwerpunkte ihrer Arbeit. Etwa 20 000 Leser steuern die thailändische Ausgabe pro Tag an; eine englischsprachige gibt es auch. Zu 80 Prozent wird «Prachatai» durch Spenden finanziert.

Die Regierung verfolgt die Arbeit von «Prachatai» mit Argusaugen – schliesslich verleiht das Portal Abweichlern immer wieder eine Stimme. «Prachatai» steht denn auch unter Druck: Es wurde bereits kurzzeitig geschlossen; Premchaiporn wurde zudem wegen Majestätsbeleidigung verurteilt, weil sie missliebige Nutzer-Kommentare nicht rasch genug gelöscht hatte. Die Frist liegt bei 24 Stunden. Die Regierung rekrutiert eigene Bürgerspitzel, sogenannte Cyber-Scouts, um anstössige Kommentare schnell zu finden. Auch im Alltag muss «Prachatai» immer wieder Hürden überwinden: Anträge an Behörden werden etwa nur langsam bearbeitet.

Doch Premchaiporn und ihr Team lassen sich nicht unterkriegen. «Die Regierung kann das Land nicht verschliessen», sagt sie. «Etwas Verhandlungsspielraum gibt es immer.» Schweigen ist für sie keine Option. /NZZ

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Raoul Duarte
Gast
Raoul Duarte
13. August 2018 7:40 pm

Siamfan:    Hier zerschiesst es ständig alles.

Unsinn.

"Es" zerschießt überhaupt nichts.

Das sind Sie selbst mit Ihrem Viren-verseuchten Billig-Equipment.

steffph
Gast
steffph
12. August 2018 9:03 am

Nicht nur Prachatai.Auch und besonders die Gelben Medien sind betroffen!

Trotz Selbstzensur!

Siamfan
Gast
Siamfan
13. August 2018 3:50 pm
Reply to  steffph

Hier zerschiesst es ständig alles. 

Layout wechsel ständig,  Bilder werden nicht angezeigt,  Rangordnung der Kommentare verändert sich wie ein Kinderkarusell! 

 

Raoul Duarte
Gast
Raoul Duarte
11. August 2018 3:20 pm

NZZ:    Die Grenzen zwischen Journalismus und Aktivismus sind bei «Prachatai» fliessend …

Naja, ich halte diese Art von "Berichterstattung" eher für einseitig

Bin aber natürlich gleichzeitig dafür, daß es auch so etwas gibt.