Burma kehrt dem Westen wieder den Rücken – Annäherung an China

Der zweitägige Besuch des chinesischen Staats- und Parteichefs Xi Jinping in Burma besiegelt den Schulterschluss zwischen Peking und Naypyidaw, der sich schon abgezeichnet hatte: Wenige Tage vor ihrer Reise zum Internationalen Gerichtshof in Den Haag Mitte Dezember hatte Burmas de-facto Regierungschefin Aung San Suu Kyi Besuch des chinesischen Aussenministers Wang Yi erhalten. Ein deutlicheres Zeichen der Rückendeckung im Rohingya-Drama konnte Peking damals nicht geben.

Der Besuch von Xi in Burma, dem ersten eines chinesischen Staatschefs in fast zwanzig Jahren, unterstreicht, wie tief die Beziehung zwischen den beiden Staaten ist.

«Zeitweise Verirrung in Richtung Westen»

Die Visite Xis, die am Samstagabend zu Ende ging, stand im Zeichen der vor genau siebzig Jahren lancierten diplomatischen Beziehungen. Doch der Zeitpunkt ist aus anderen Gründen relevant: Die USA und Europa sind nach der ersten Euphorie über die Demokratisierung in Burma wieder auf Distanz zur zivilen Regierung gegangen. Aung San Suu Kyi, die ehemalige Ikone für Menschenrechte und Demokratie, hat ihr Ansehen in der freien Welt verloren.

Westliche Unternehmen, die nach der Öffnung des Landes vor acht Jahren viel Entwicklungspotenzial witterten, halten sich heute mit Investitionen wieder zurück. Burma blickt daher erneut nach Osten, und der grosse Nachbar China lässt sich nicht zweimal bitten.

Farbenpracht, diplomatische Floskeln und die chinesische Propaganda stimmten überein: Bei der bilateralen Unterredung mit Xi Jinping war Suu Kyi in Rot und Gelb gekleidet, was den Tönen der chinesischen Flagge entsprach. Nachbarländer hätten keine andere Wahl, als zusammenzustehen, sagte sie in ihrer Rede. Diese Haltung hatte Suu Kyi zwar schon 2016 zum Ausdruck gebracht, als sie bei ihrer ersten Auslandreise als De-facto-Regierungschefin Peking besuchte. Aber heute ist die Anlehnung an China noch stärker geworden.

Einem Kommentar der staatlichen chinesischen Medien war in diesem Zusammenhang schon vor dem Gipfel zu entnehmen, dass Burma mit seiner Öffnung gegenüber dem Westen einen Irrweg beschritten habe. Nur China könne das Land aus dem Sumpf ziehen, heisst es dort.

«Über Mandalay nach China» 

Noch sind Umfang und Inhalt der angeblich 33 unterzeichneten Handels- und Kooperationsabkommen nicht bekannt. Im Kleinen handelt es sich um sektorielle Verträge, die sicherstellen, dass Chinas Nachbarprovinzen regelmässig jährliche Kontingente von burmesischen Agrarerzeugnissen abnehmen. Im Grossen geht es um Milliardenprojekte wie den Bau des Tiefseehafens von Kyaukpyu im Golf von Bengalen. Von dort bezieht die südchinesische Provinz Yunnan bereits Gaslieferungen; der Hafen sichert China darüber hinaus einen strategisch wichtigen Zugang zum Indischen Ozean.

Das Projekt illustriert indessen auch, dass die bilateralen Beziehungen keineswegs friktionslos sind. Ursprünglich sollte dieses 7 Milliarden Dollar kosten. Doch der neuen Regierung schien dies überrissen; sie befürchtete, dass dadurch die ohnehin grosse Schuldenlast gegenüber China noch weiter gestiegen wäre. Nach einer Redimensionierung wird die Investitionssumme jetzt noch auf 1,3 Milliarden beziffert. Das Vorhaben, das einen Industriepark umfasst, bleibt indessen auch für Burma von nationaler Bedeutung: Es liegt im wirtschaftlich unterentwickelten Gliedstaat Rakhine und grenzt ausgerechnet an jene Zone, aus der die burmesische Armee Hunderttausende Rohingya vertrieben hat. Ob sich mit dem Projekt die Chancen für eine Rückkehr der Flüchtlinge verbessern oder verschlechtern, bleibt allerdings offen.

«Ungelöste Probleme in Grenzgebieten»

Der Tiefseehafen von Kyaukpyu liegt am Westende einer Schneise, die über Burmas zweitgrösste Stadt Mandalay nach China führt, wofür sich die Bezeichnung «China-Myanmar Economic Corridor» etabliert hat. Auf dieser Achse wird sich die wirtschaftliche Verflechtung beider Staaten am augenfälligsten weiterentwickeln. Bereits heute ist Mandalay eine zunehmend von chinesischen Geschäftsleuten dominierte Stadt.

Auch im Korridor von Rakhine bis Kunming wird der historischen Hauptstadt in Zukunft eine Drehscheibenfunktion zukommen. Aus wirtschaftlichen Interessen ergibt sich, dass nicht nur Burma, sondern auch China eigentlich ein grosses Interesse an der Beilegung der seit Jahrzehnten schwelenden Minderheitenkonflikte in den nordöstlichen Grenzregionen Kachin und Shan hat.

Beim Besuch von Xi Jinping scheint der Zankapfel in den bilateralen Beziehungen, der Myitsone-Staudamm, ausgeklammert worden zu sein. Das auf 6000 MW konzipierte Milliardenprojekt am Oberlauf des Irrawaddy-Flusses im Kachin wurde 2011 auf Anweisung des damaligen Präsidenten Thein Sein abrupt gestoppt, was vorübergehend eine bilaterale Eiszeit herbeiführte.

Für Peking war und ist die Sistierung des Bauvorhabens ein Gesichtsverlust. Für Burma bleibt der Stopp wegen möglicher Kompensationszahlungen in Millionenhöhe aber kostspielig. Noch ist unklar, ob die neuerliche Annäherung mit China zu einer Fertigstellung oder Redimensionierung des von der lokalen Bevölkerung stark kritisierten Damms führen wird. / NZZ

 

 

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ben
Gast
ben
20. Januar 2020 12:11 pm

@ berndgrimm:  … Die Burmesen haben die Rohingyas so behandelt wie China die Ujguren. Die Restwelt will weder die Rohingyas noch die Ujguren…

seh ich genau so.. und die Welt wird immer gefährlicher: Russland/Türkei in Syrien – in Libyen zwar in verschiedenen Lagern, aber beide wollen sich möglichst viel unter den Nagel reissen und überall Macht gewinnen, die Voll Trottel Trump verliert..oder freiwillig abgibt! Vom Nahem Osten bis Libyen ein Chaos und Asien mit Welt-Macht China….

berndgrimm
Gast
berndgrimm
20. Januar 2020 9:31 am

Es gab in Burma keine Öfnnung Richtung Westen. Dies war nur Wunschdenken

der westlichen Regierungen und Medien.

Die Militärdiktatur in Burma wurde immer von China unterstützt und das Theater

um die "Friedensnobelpreisträgerin " wurde nur zur Touristenwerbung  genutzt.

Die Burmesen haben die Rohingyas so behandelt wie China die Ujguren.

Die Restwelt will weder die Rohingyas noch die Ujguren. Pech gehabt!