Bangkok: Corona-Krise macht Bemühungen zur Reduzierung von Plastik-Müll wieder zunichte

So schlimm die globale gesundheitliche Gefahr durch das Coronavirus ist, so schwerwiegend sind auch die wirtschaftlichen, oft auch sozialen und psychologischen Folgen des in den meisten Staaten weltweit seit März verhängten Lockdowns.

Hinsichtlich der Umweltbelastungen, die der moderne Mensch dieser Tage auslöst, hatte das aus der Pandemie resultierende weitgehende Herunterfahren des normalen Alltags, die Einschränkungen wirtschaftlicher Aktivitäten und der ungehemmten menschlichen Bewegungsfreiheit und Reiselust teilweise deutlich positive Auswirkungen.

In asiatischen Metropolen wie Peking oder Delhi konnten die Menschen erstmals seit Jahren wieder deutlich freier atmen, weil sich die übliche Smogglocke verzogen oder zumindest stark abgemildert hatte. Schließlich hatte beispielsweise Indien auf dem Höhepunkt der Krise auch landesweit den Verkehr bis auf wenige Ausnahmen nahezu komplett stillgelegt.

Deutlich geleerte Straßen gab es einige Wochen lang rund um den Globus, Tier- und Pflanzenwelt konnten an vielen Stellen verschnaufen. Und auch hinsichtlich der Verschmutzung von Böden und Gewässern im Umfeld von sonst überfüllten Stränden zeichnete sich vielerorts mit dem erzwungenen Tourismusstop eine Entspannung ab.

Mag damit an anderen Orten auch das Problem Plastikmüll wenigstens temporär etwas abgenommen haben – in Thailand und gerade Bangkok ist dies nicht der Fall. Ganz im Gegenteil. Denn die Hauptstadt und mit Abstand größte Metropole des Landes verzeichnete zuletzt sogar eine deutliche Zunahme der entsprechenden Abfallberge. Allein im April betrug der Anstieg laut den zuständigen Behörden 62 Prozent.

Schuld ist dabei tatsächlich die Coronakrise, die selbst die positiven Auswirkungen des seit Jahresbeginn geltenden Plastiktütenverbots mehr als aufwiegt. Denn in Zeiten, da die Schulen geschlossen sind, auch sonst viele Menschen zu Hause hocken, erleben Lieferdienste per App eine ungeahnte Blüte. Nicht nur generelles Onlineshopping nahm in den Wochen der erzwungenen weitgehenden Beschränkung auf das eigene Zuhause zu.

Wer im Homeoffice arbeitete, hatte nicht unbedingt Zeit und Lust, um nebenher noch zu kochen. Also wurde häufiger das Essen bestellt – und mit reichlich Verpackung geliefert. Pro Tag zusammengerechnet 3432 Tonnen Plastikmüll, wie die Stadtverwaltung Bangkoks für den April bekanntgab. Das ist mehr als anderthalb Mal so viel wie die durchschnittlich im Vorjahr an einem Tag angefallenen 2115 Tonnen.

Landesweit belief sich der Anstieg immerhin noch auf etwa 15 Prozent. Waren es vor Corona im Schnitt 5500 Tonnen, so stieg diese Zahl nun auf 6300 Tonnen, wie die Auswertung des Thailand Environment Institute besagt. Und das in einem Jahr, in dieses Müllsegment nach den Zielstellungen eigentlich um stolze 30 Prozent zurückgedrängt werden sollte.

Als temporären Rückschlag im Kampf gegen die Plastikflut hat selbst Umweltminister Vurawut Silpa-archa die jüngsten Entwicklungen bezeichnet. Der zuständige Ressortchef im Kabinett von Premierminister Prayuth Chan-ocha gehört zu den jungen Gesichtern innerhalb der Regierung des Mannes, der 2014 die unblutige erneute Machtergreifung des Militärs anführte und seit der jüngsten Wahl nun mit einem demokratischen Mandat im Rücken weiter an den Schalthebeln der Macht sitzt.

Mögen etliche seiner Minister ebenfalls ehemalige Generäle sein, gehört Vurawut nicht zu diesem Reigen. Der »Jungstar« aus einer etablierten, gut vernetzten konservativen Politikerfamilie – sein Vater Banharn Silpa-archa war zeitweise Premier – hat durchaus aus Überzeugung den Kampf gegen das leidige Plastikmüllproblem aufgenommen.

So hätte sich vor anderthalb oder zwei Jahren kaum jemand vorstellen können, dass ein gesetzliches Verbot der früher allgegenwärtigen Plastiktüten tatsächlich kommen würde. Im Schnitt verbrauchte jeder Thai bis zum Vorjahr acht davon täglich. Auch jetzt will sich Vurawut, wie er der Nachrichtenagentur Reuters sagte, von den Rückschlägen nicht entmutigen lassen.

Dass es mehr ist als nur eine kleine Delle in einer bislang Hoffnungen machenden Zwischenbilanz, zeigen die Zahlen aber sehr deutlich. Im vergangenen Jahr hatten viele Thais, gerade auch die Einwohner der Zehn-Millionen-Metropole Bangkok, angefangen, sich stärker mit den Umweltfolgen des eigenen Konsumverhaltens auseinanderzusetzen, in dessen Zuge allein 200 Milliarden Einweg-Plastiktüten Jahr für Jahr auf den Müllbergen landeten – und am Ende nicht selten irgendwo im Meer.

Doch in der Corona-Pandemie ist dies schwer aufrechtzuerhalten, weder in Thailand noch sonst wo auf der Welt. Erst mit der Lockerung der Corona-Beschränkungen wird auch wieder der normale Gang ins Restaurant und an den Imbiss möglich sein – bis dahin fahren jede Menge Kuriere Tüten mit abgepackten Bestellungen an die Kunden aus.

»Dieser Plastikmüll könnte recycelt werden. Doch mit unserem ineffizienten Abfallmanagementsystem gelangt er zuhauf in die Umwelt, wo er Tiere gefährdet«, zitiert das Onlineportal Times of News den Leiter Teams »Plastikfreie Zukunft« bei Greenpeace Thailand, Pichmol Rugrod.

Allein Grab, der thailändische Marktführer im Liefersektor mit Hauptsitz in Singapur, hat laut einem Beitrag der Deutschen Welle in der Coronazeit ein Nachfrageplus von 400 Prozent verzeichnet. Ähnlich sieht es mit einem Anstieg um 300 beziehungsweise 50 Prozent bei den Konkurrenten Line Man und Foodpanda Thailand aus. / ND

 

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HDS
Gast
HDS
16. Juli 2020 12:44 pm

Das Abfallmangement ist hier wirklich eine Katastrophe. Wenn man den Müll schon nicht vermeiden kann, sollte man sich wenigstens Gedanken machen wohin damit.

Wie schon mal woanders erwähnt, sind die nicht im Stande an öffentlichen Gebäuden (vom Shopping Tempel, BTS und Co. bis zum Flughafen, egal in welcher Stadt) ausreichend, wenn überhaupt Mülleimer aufzustellen. Da wundert man sich nicht warum viele ihren Müll einfach links und rechts auf die Straße werfen oder sonst wo fallen lassen. Selbst die Schulkids auf den Dörfern kennen es nicht anders. Bin jeden Tag damit beschäftigt weggeworfene Chips- u. Milchtüten an und von meinem Gelände zu entfernen. Die schmeißen den Dreck einem ohne mit der Wimper zu zucken quasi vor die Füße. Wer es nicht beigebracht bekommt verhält sich eben dumm und wo es kein Müllablage Angebot gibt stellt man sich halt dumm. Beim jedem Sturm weht  mir der Müll der Nachbarn entgegen . Macht auch immer Freude.

Weil man für div. Dinge hier sogar Geld bekommt wenn man es sammelt, so wie Flaschen, Glas Plastik, habe ich mir das Deutsche Mülltrennungs Prinzip hier nachgestellt. Alle 2 Monate lasse ich den Müll abholen und bekomme dafür 100-200 B. Besser als nischt, oder? Leider, haben die nun die Papier recycling Anlage eingestellt und ich bekomme meine Pappe kaum noch los.

Das Plastiktüten Problem bekommt man Mangels Alternative sowieso nirgends gelöst. Höchstens mit Verpackungen/Material das sich mit der Zeit selbst auflöst.

"Forentroll"
Gast
"Forentroll"
16. Juli 2020 2:29 pm
Reply to  HDS

5555 wir kaufen (!!!) jetzt "tonnenweise " Mülleimerbeutel, seit es keine Einkaufstüten mehr gibt!  

Man muß auf die Feinheiten achten,  der Abfall fliegt durch den Fahrtwind von der Ladegläche der Pickups! 

Die Einkaufstüten machen 0,x % vom Müll aus und davon galt es abzulenken. 

Jeder 7/11 stellt hier täglich 6-10(!!!) prall gefüllte,  große,  schwarze Müllsäcke raus,  die die Hausmüllabfuhr mitnimmt. 

DAS sind aber nur Transport und Umverpackungen. 

Alles andere schleppen die Kunden mit nach hause und schmeißen es in den Hausmüll. 

Die Unternehmer lachen sich ins Fäustchen! 

Wieso sollten die Produkte anbieten mit wenig  Verpackungsabfall. 

Die müssen ja nichts bezahlen. 

Es gibt Chips-Packungen, da ist gewichtsmäßig weniger drin, als drum ist. 

Und die Ptesse-Strategie-Berater verdienen auch immer! 

Gell STIN! 

Das Schlimmste sind aber die Produktionsabfälle

Auch due sind nicht erfasst

 

HDS
Gast
HDS
16. Juli 2020 3:18 pm
Reply to  "Forentroll"

"Man muß auf die Feinheiten achten, der Abfall fliegt durch den Fahrtwind von der Ladegläche der Pickups!"

Hähä, ja genau. Kleiner feiner Unterschied cheeky. Blöde Pickups,blöde.

Stimmt natürlich, auch wenn Familie Zapfenklein sich auf der Ladefläche verschanzt hat und die Gören ihrem Konsum freien Lauf lassen. Was der Fahrtwind nicht entsorgt hat, bleibt bedauerlicher Weise zurück und der Wagenbesitzer findet dann auch noch Beschäftigung.