Der Coup von 2006 – Ein Jahrestag- Teil 02

(MARK TEUFEL – GATEOT / modifiziert, 18.09.2011)          Morgen, am 19.09.2011 jährt sich der Militärcoup von 2006 zum 5. Male. Ein Militärcoup, der die Fassade eines sich demokratisierenden Thailands eingerissen, und vielen Menschen die Augen über die tatsächlichen politischen Verhältnisse geöffnet hat. Überall in der Welt werden Veranstaltungen organisiert, um über die Folgen dieses Anachronismus aus einer Zeit der sich abwechselnden Militärdiktaturen zu diskutieren.

In Finnland, wie in anderen Staaten Europas, wird die   „Union for People’s Democracy“   ( UPD)    Kundgebungen veranstalten, die in Finnland z.B. aus einem Marsch zum Parlament besteht, sowie der Übergabe einer Reihe von Dokumenten an das Außenministerium von Finnland. Darin wird   „60 Jahre der politischen Unterdrückung und Niederschlagung in Thailand“   dokumentiert, z.B. mit einer Liste von offiziell anerkannten ca. 11.000 in Zusammenhang mit politischen und staatlichen Morden umgekommenen Menschen.

Die Deklaration, mit der die Dokumente übergeben werden sagt :

Am 19. September 2006 übernahm die thailändische Armee die Macht vom demokratisch gewählten thailändischen Parlament und vernichtete die Volksverfassung von 1997. 5 Jahre gewalttätiger Unruhen führten zu Thailands 5. extrem blutigen Niederschlagung durch das Militärs, des größten demokratischen Aufbegehrens in der thailändischen Geschichte, was mit dem Leben von 93 Menschen und 2000 Verwundungen im April und Mai 2010 bezahlt wurde.

Die neue Regierung von Thailand  ( seit Juli 2011 )  macht keine Anstalten, die Menschen vor Gericht zu bringen, die für die Verbrechen des Militärs im Jahr 2010 verantwortlich sind, führt die Zensur und die Unterdrückung der Meinungs- und Redefreiheit in den Medien weiter fort, und verfolgt auch weiter Menschen durch Unterstützung des archaischen Gesetzes Lèse Majèsté, das bereits hunderte von Bürgern in die Gefängnisse gebracht haben, weil sie die thailändische monarchistisch-militärische Zusammenarbeit kritisierten.

In der ganzen Welt werden die Menschen, die über die Demokratie in Thailand und in Südostasien besorgt sind, aufgefordert, über Thailand und den 19. September zu reden.

WIE ES BEGANN

Irgendwo über Südostasien schlug ich irgendwann im Sommer 2006 in irgendeinem Thai Airways Flug die Bangkok Post auf und stolperte über einen Artikel, in dem beschrieben wurde, wie Prem Tinsulanonda durch die Kasernen tingelte und den Soldaten erklärte, dass die Streitkräfte das Pferd, die Regierung nur der Jockey, aber andere die Eigentümer wären. Ich war schockiert. Wie konnte so etwas in einer konstitutionellen Monarchie durch den Präsidenten des Kronrates verbreitet werden? Aber wie viele andere Vorankündigungen wischte ich die Sorge beiseite und zu schnell wuchsen die Tagesprobleme darüber, wie das Gras über einen Dunghaufen.

Nach dem Schock der ersten Stunden beruhigte ich meine Frau mit den Worten,   „die haben nur einen korrupten Ministerpräsidenten gestürzt, das wird bald vorbei sein“.   Denn ich war der Annahme, dass Thailands Demokratie bereits soweit gefestigt wäre, dass es sich nur um diese Tatsache handeln konnte. Doch dann begann die systematische Demontage der Demokratisierung der Jahre seit 1992, und das Zurückdrehen der politischen Uhr auf das Jahr 1991. Später sollte man sagen, auf das Jahr 1976. Als ich dies begriff, begann ich die Ereignisse dieses Coups chronologisch in meinen Jahrbüchern festzuhalten. Denn mir war klar, dass hier etwas passierte, das für Thailand von entscheidender Bedeutung war. Der Kampf um die Vorherrschaft eines Establishments, das von den Waffen des Militärs gestützt wird, oder einer Bevölkerung, die sich ihre Regierung selbst wählen will.

Im Jahr 2006 und auch noch einen großen Teil des Jahres 2007, schien das Land wie gelähmt. Nur kleine Gruppen von Demonstranten begehrten frühzeitig gegen die Vorherrschaft des Militärs auf, und landeten prompt im Gefängnis, wurden mit allen Möglichkeiten eines verbogenen Rechtsstaates verfolgt. Wie z.B. einen wie Jakrapob Penkair,die ein aufgenommenes Telefonat zwischen höchsten Richtern des Landes mit dem Palast veröffentlichten, aus dem hervorging, wie höchste Richter in politische Intrigen und Absprachen mit dem Palast verwickelt waren. Ohne aber die eigentlichen Täter, nämlich die offensichtlich vom Palast abhängigen Richter, zu belangen.

Durch handverlesene Richter wurde schließlich ein Femegericht durch das Militär einberufen, durch dessen Urteil die Thai-Rak-Thai aufgelöst und 111 Funktionäre mit Berufsverbot für 5 Jahre belegt wurden.

Die Asiatische Menschenrechtskommission AHRC schrieb dazu :

Thailand : Die Justiz ist der wahre Verlierer.

Am 30.05.2007 haben Thailands höchste Richter an einer Farce teilgenommen, die nicht von Ihnen gemacht worden war, sondern von ihnen ergeben in Kauf genommen wurde, und vom Militärregime des Landes eingefädelt worden war, als ob es ein Akt der Justiz wäre.  ( Mark Teufel, Jahrbuch 2007, epubli, S. 172 )

Dann stellte die Militärregierung die neue, von ihr entdemokratisierte Verfassung vor, mit der die Macht des Militärs für die nächsten Jahre gesichert werden sollte. Sie erhielt nicht nur eine Amnestie für alle Verbrechen die vor, während und auch nach dem Coup von 2006 in Verbindung mit dem Coup begangen wurden, oder noch werden, sondern viele andere Regelungen, die es dem Militär in Verbindung mit von ihr an die Macht gebrachten Richtern und sympathisierenden Elementen in der Bürokratie, ermöglichte, jede gewählte Regierung zu stürzen.

Während der Vorbereitung eines Referendums, in dem per Gesetz verboten war, gegen die Annahme der Verfassung zu werben, und während der keinerlei ernsthafte inhaltliche Diskussion in der Öffentlichkeit zugelassen wurde, erklärten die Generäle lediglich, dass die Annahme der Verfassung durch die Menschen Voraussetzung dafür wären, dass Wahlen stattfinden dürften. Wenn die Verfassung abgelehnt werden würde, würden die Putschisten eine beliebige Verfassung nach Ihrem Gutdünken in Kraft setzen und Wahlen würden auf unbestimmte Zeit verschoben.

Da Werbung gegen die Verfassung verboten war, erfand Khun Sombat das rote Hemd als Signal für   „STOP die Verfassung“   von 2007. In Anspielung auf die Grünhemden-Kampagne der Verfassungsbefürworter, während der Vorbereitungen zur Abstimmung über die Verfassung von 1997. Das hieraus das Zeichen für die größte thailändische Demokratiebewegung in der Geschichte des Landes entstehen sollte, war zu diesem Zeitpunkt noch niemanden klar.

Die meisten ausländischen Medien waren sich einig, dass die Militärverfassung einen großen Rückschritt für die Demokratisierung des Landes bedeuten würde.  ( Wie vor, Seiten 348 ff. )

Daniel Ten Kate schrieb im Christian Science Monitor :

Die Wahl stellt keine wirkliche Wahl dar, da die Generäle immer noch in der Lage sein werden, irgendeine Verfassung auszuwählen und beliebige Änderungen vorzunehmen, was auch immer sie wollen, falls die Öffentlichkeit gegen den Verfassungsentwurf stimmt.  ( Wie vor, S. 355 )

Die Verfassung wurde als „Verfassung mit eingebauter Erlaubnis für den nächsten Coup“  bezeichnet.

Trotz massiver Propaganda und Erpressung, stimmten am Wahltag 42,19% der Wähler gegen die Verfassung. 57,81 %  stimmten dafür und glaubten der Beteuerung, dass   „man ja die Verfassung nach der nächsten Wahl ändern könnte“.

Nach der Annahme der Verfassung begann die Militärmaschinerie der Gesetzgebung auf Hochtouren zu laufen. Durch eine nicht gewählte Regierung aus  „ernannten guten Menschen“  wurde das Land über Jahre vertraglich gebunden, wichtige Entscheidungen wurden gefällt, wie die der Wideraufnahme der Atompläne. Ein Gesetz   „zur Inneren Sicherheit“   wurde verabschiedet, um eine   „light“ -Version des Ausnahmezustandes zur Verfügung zu haben, und dem Militär durch das ISOC die Oberhoheit im Fall innerer Krisen zu verschaffen.

Es folgte ein Wahlkampf, in dem das Militär mit allen propagandistischen und anderen Mitteln versuchte, einen Wahlsieg der sich neu gegründeten People-Power-Party, um ehemalige Abgeordnete der Thai-Rak-Thai, zu verhindern. Dieser Masterplan wurde enthüllt ,  dies hatte jedoch für das Militär keine Folgen, da sie die Wahlkommission anwiesen, auf eine Verfolgung zu verzichten,   da dem Militär im Rahmen der Verfassung Straffreiheit zugesagt war. Es folgten Drohungen mit einem neuen Coup  und weitere Schritte des Militärs, um sicher zu stellen, dass die Democrat Party die Wahlen gewinnen konnte.

In diesem Umfeld kämpfte nun der Politik-Dinosaurier Samak Sundaravej auf Seiten der PPP gegen den weltgewandten, in Oxford erzogenen, offensichtlich zur Elite des Landes gehörenden, Abhisit Vejjajiva, der Vorsitzende der Democrat Party war. Samaks Ernennung dürfte viel damit zu tun haben, dass zu diesem Zeitpunkt 111 der wichtigsten Politiker des Landes durch Berufsverbot ausgeschaltet waren, und viele andere sich nicht wagten, sich gegen das Militär als Kandidat für den Posten des Ministerpräsidenten aufstellen zu lassen. Und so kam es, dass selbst seine ehemaligen Feinde, die Studenten von 1976, die er als Innenminister einer extrem rechten Regierung gnadenlos verfolgt hatte und die nun in der PPP aktiv waren, seine Rolle akzeptierten.

Samaks Wahlkampf wurde geführt mit dem Versprechen, Thaksin zurück nach Thailand zu holen und die Verfassung zu demokratisieren. Dies erschien vielen als Kamikazepolitik, sah man die enormen Anstrengungen, die unternommen wurden, um Thaksin Shinawatra kriminelle Machenschaften nachzuweisen und Anklagen gegen ihn vorzubereiten. Ein ganzer Stab von Ermittlern, bestehend aus seinen erbittertsten Feinden, war zusammengestellt worden, ihnen war Immunität für evtl. strafrechtliche Vergehen zugesichert worden, und sie hatten die Aufgabe nachzuweisen, welcher Teufel in Menschengestalt Thaksin war.

Die Friedrich Naumann Stiftung zitierte Thitinan Pongsudhirak :

…… Die Verfolgung von Mr. Thaksin ist so weit gegangen, dass sie von vielen als politische Verfolgung angesehen werden muss, wodurch der Rechtsstaat vergewaltigt wird. Die unbeabsichtigte störende Konsequenz ist, dass die Justiz zum Sklaven der Mächtigen wurde.

…… Von den vier Gründen für den Coup, hat das CNS den ersten wegen Korruption verbockt, dabei versagt den zweiten, die Polarisation zu bekämpfen, den dritten, die Manipulation der Bürokratie selbst übernommen, und den letzten Vorwurf sofort nach der Machtübernahme fallen gelassen.  { Der letzte Vorwurf betraf die angebliche Verschwörung gegen die Monarchie, die später als bewusste Verleumdung eines thailändischen Journalisten von einem Gericht entlarvt wurde.}  ( Wie vor, S. 495 )

Kurz vor der Wahl verabschiedete das Militär noch schnell 64 Gesetze, die nicht nur die politische, sondern auch die wirtschaftliche Vormachtstellung der Generäle sichern sollten. Und dann, am 23.12.2007, war Wahltag.

…………….( wird fortgesetzt )

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bukeo
Gast
bukeo
19. September 2011 5:00 am

@BerndGrimm – Da die Revolutionsregierung derzeit nicht in der Lage ist,
irgendeine kongruente Politik zu machen,

doch, jetzt hat die Regierung die Lösung gegen das Hochwasser gefunden.
Man soll fest weinen und keinen Alkohol trinken – dann geht es gleich besser.
Ob das Hochwasser davon beindruckt wird, wage ich schon zu bezweifeln.

http://www.wochenblitz.com/nachrichten/bangkok/14929-weinen-gegen-die-flut.html#contenttxt

berndgrimm
Gast
berndgrimm
19. September 2011 4:53 am

Und da die Misere der Revolutionsregierung noch anhalten
wird bis das wirkliche Ziel Takkis erreicht wird,
wird Mark Teufel uns auch weiterhin mit seinen Geschichtfälschungen
unterhalten.
Wie lange noch:
Takki sagte in Phnom Penh noch 2 Monate.
Schaun wir mal.

berndgrimm
Gast
berndgrimm
19. September 2011 4:45 am

Da die Revolutionsregierung derzeit nicht in der Lage ist,
irgendeine kongruente Politik zu machen,
die ihr wahlvieh eh nicht verstehen würde,
müssen Takkis Sprechblasen Überstunden machen
um alle anderen, vielleicht noch denkfähigen,
von den wirklichen Vorgängen im Hntergrund
der vorgeschobenen Revolutionsoper abzulenken.

Das biedere Wahlvieh der Demokratierevolutionäre
bekommt als Ausgleich billiges Benzin das hinterher
sehr teuer bezahlt werden muss.
Und Autorabatte die statt von Handel undIndustrie
wie in entwickelten Ländern,
von den Steuerzahlern diese schönenLandes bezahlt
werden müssen.
Und wer sind diese Steuerzahler?
Wir alle die wir hier leben,nicht an den Trögen
sitzen und unser Geld durch Arbeit verdienen
oder durch Arbeit verdient und in zivilisierten Ländern
versteuert haben.
We sind diese Steuerzahler nicht?
Alle die das Glück haben hier in TH ihr Geld ohne Arbeit
“machen” zu können.
Ganz oben:
Die Mäzene der Volksrevolutionsoper,
die sich jetzt ihr Mäzenatentum
vom gekaperten Staat goldig rückvergüten lässt.
Die Familien Shinawatra/Pombeja

bukeo
Gast
bukeo
19. September 2011 1:58 am

Ein Militärcoup, der die Fassade eines sich demokratisierenden Thailands eingerissen, und vielen Menschen die Augen über die tatsächlichen politischen Verhältnisse geöffnet hat

dazu folgendes aus der Weltwoche nach dem Coup 2006

Nicht erst die Generäle, schon Thaksin ist auf Thailands Demokratie herumgetrampelt. Er hat seine Macht missbraucht. Er hat sich über die demokratischen Spielregeln hinweggesetzt, etwa die Gewaltentrennung, hat freimütig in die Staatskasse gelangt und private Milliarden-Deals von der Steuer befreit. Wenn einer wie Thaksin gewählt und wiedergewählt wird, die Opposition ihn nur mit Strassenprotesten aus dem Amt jagen kann – wie im Frühjahr – und er kurz darauf als «Übergangs-Premier» zurückkehrt, bis die Armee ihn stürzt, dann haben die Institutionen der Demokratie versagt.

Das Problem in Thailand ist die Uninformiertheit der Wähler. Dazu kommt noch, das Populisten wie Thaksin genau wissen, wie sie diese uninformierten Wähler fangen können. Thaksin hätte seinen Wähler Heizgeräte verkaufen können, weil nach seinen Aussagen in den nächsten Monaten Schneefälle in Thailand zu erwarten sind – sie hätte es ihm geglaubt.
Mit solchen uninformierten Wählern, kann keine Demokratie in Thailand installiert werden. Das sind eben die gravierenden Nachteile einer Demokratie, die die Informiertheit der Wähler voraussetzt.

Somit ist auch keine Demokratie gestürzt worden, sondern eher eine parlamentarische Diktatur – da Thaksin seinerzeit sämtliche Kontrollinstanzen, wie die von Chuan Leeekpai eingesetzte Anti-Korruptionsbehörde, Verfassungsgericht, Polizei usw. – mit Familienmitglieder bzw. Vertrauten besetzte.

Somit hat man im Prinzip auf undemokratische Weise eine undemokratische Regierung gestürzt, bei der 86% der Bevölkerung für den Putsch waren.

Weiters ist eine Demokratie weiterhin in Thailand nicht möglich – Umfragen ergaben, das 67% der Bevölkerung kein Problem mit Korruption, Amtsmissbrauch und aussergerichtlichen Erschiessungen hat. Nur mit dieser Einstellung lässt sich keine Demokratie installieren – ein bisschen schwanger – geht halt leider nicht.

Auch sehr interessantes aus der Weltwoche nach dem Coup:

Demokratien, die auf Personen bauen statt auf stabile Institutionen, sind gefährlich fragil. Wie sich in Asien immer wieder zeigt, Thailand wird nicht die letzte stolpernde Demokratie sein.

http://www.weltwoche.ch/ausgaben/2006-39/artikel-2006-39-gestrauchelte-de.html