Corona-Impfstoffe: Vor- und Nachteile von Tot-Impfstoffen gegen Covid-19

Im Kampf gegen das Coronavirus arbeiten Unternehmen und Forschergruppen momentan an Totimpfstoffe unterschiedlicher Art. Ein Hersteller könnte womöglich bald die Zulassung der EMA erhalten.

Der Corona-Impfstoff des US-Unternehmens Novavax könnte schon bald als erster Totimpfstoff von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) zugelassen werden. Eine Entscheidung könnte laut EMA in wenigen Wochen fallen, wenn die vorgelegten Daten die Wirksamkeit, Sicherheit und Qualität des Impfstoffs belegen.

Valneva COVID-19 vaccine concept. Syringe and Valneva company logo on the blurred background screen. Stafford, United Kingdom, April 6, 2021.

Welche Totimpfstoffe könnten demnächst auf den europäischen Markt kommen?

Diese Totimpfstoffe werden bereits auf der Welt verimpft

Sinopharm: Das chinesische Unternehmen hat bereits zwei Corona-Impfstoffe auf dem Markt: BBIBP-CorV und WIBP-CorV. Letztere hat seit Februar 2021 eine volle Marktzulassung in China und eine Notfallzulassung in Nordmazedonien, Peru, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Venezuela. BBIBP-CorV hat eine Notfallzulassung in über 80 Ländern (und ist auch von der WHO zugelassen).

Sinovac: kann sich Hoffnungen auf die Zulassung seines Impfstoffes CoronaVac in der EU machen. Im Mai leitete die EMA ein rollierendes Verfahren zur Prüfung ein. In China ist das Vakzin seit Februar 2021 zugelassen. Die WHO hat CoronaVac am 1. Juni 2021 die Zulassung erteilt. Der Impfstoff kommt mittlerweile in mehr als 50 Ländern zum Einsatz.

Bharat Biotech Covaxin: (BBV152)  wurde von der indischen Firma Bharat Biotech und dem Indian Council ofMedical Research entwickelt. Anfang Januar 2021 bekam der Impfstoff eine Notfallzulassung in Indien, bevor die klinische Phase-III-Studie abgeschlossen war. Dennoch wird der Totimpfstoff in 20 Ländern weltweit eingesetzt.

Auf absehbare Zeit sind die beiden aussichtsreichsten Kandidaten für den europäischen Markt die Vakzine VLA2001 der französisch-österreichischen Firma Valneva und der Impfstoff der US-Firma Novavax (NVX-CoV2373). Letzterer wird wohl in der EU die Nase vorn haben.

Denn seit Februar läuft bereits ein beschleunigtes Prüfverfahren bei der europäischen Arzneimittelagentur (EMA) für NVX-CoV2373, die Marktzulassung ist beantragt und könnte noch in diesem Jahr erfolgen. Auf einen Liefervertrag mit Novavax hat man sich jedenfalls bereits geeinigt: Die Europäische Kommission bestätigte schon im August, dass sie einen Kauf von bis zu 200 Millionen Dosen von Novavax plant.

Bei Valneva könnte es noch etwas länger dauern. Die Europäische Kommission hat mit dem Hersteller zwar ebenfalls bereits einen Abnahmevertrag für 2022 über den Ankauf von bis zu 60 Millionen Impfdosen abgeschlossen. Dazu muss der Impfstoff aber erst bei der EMA beantragt und von der Behörde zugelassen sein. Vor dem nächsten Frühjahr kommt VLA2001 daher wohl nicht auf den EU-Markt. Derzeit laufen noch klinische Studien der Phase III. Bei der britischen Arzneimittelbehörde hat Valneva bereits eine Zulassung beantragt.

Worin unterscheiden sich Totimpfstoffe von mRNA-und Vektorimpfstoffen?

Totimpfstoffe enthalten inaktive, also nicht vermehrungsfähige Viren oder deren Bestandteile. Nach ihrer Verabreichung aktivieren sie die körpereigene Immunabwehr zur Bildung von Antikörpern und anderen Immunzellen gegen das fremde Antigene. Genbasierte Impfstoffe, wie die mRNA-Impfstoffe (Biontech, Moderna) und auch die Vektorimpfstoffe (Astrazeneca, Johnson & Johnson) funktionieren nach einem anderen Prinzip: Hier wird der genetische Bauplan für das Spike-Protein des Coronavirus in die Zellen geschleust. Diese müssen dann zunächst einmal selbst das Virusprotein bilden, bevor die Immunantwort in Gang kommt.

Totimpfstoffe haben sich in der Medizin seit Jahrzehnten bewährt: Tetanus, Keuchhusten, Diphterie, Influenza –  gegen alle diese Krankheiten sind zum Beispiel Totimpfstoffe auf dem Markt.

Was unterscheidet die Totimpfstoffe von Novavax und Valneva?

Bei der Vakzine von Valneva handelt es sich um den klassischen Ganzvirus-Totimpfstoff. Hier ist das komplette abgetötete Virus enthalten. Solche Impfstoffe präsentieren dem Immunsystem also im Prinzip sämtliche Antigene. Novavax ist genau genommen kein klassischer Totimpfstoff, sondern wurde auf  Proteinbasis entwickelt. Die Vakzine enthält Teile des Spikeproteins von Sars-CoV-2.

Warum kommen Totimpfstoffe gegen Covid-19 erst jetzt? Sind sie besonders aufwendig in der Entwicklung?

Die Entwicklung eines Impfstoffs ist generell ein komplexes und mehrstufiges Verfahren, das in der Vergangenheit rund zehn bis 15 Jahre dauerte. Am Anfang steht die Erforschung des Erregers. Es geht um die Frage: Welche Bestandteile sind besonders wichtig für eine effektive Immunantwort. Allein dies herauszufinden dauert normalerweise mehrere Jahre. Danach folgt die vorklinische Entwicklung: Hierzu gehören das Design des Impfstoffs und erste Tierversuche zu Verträglichkeit und Wirkpotenzial.

Dies dauert weitere zwei bis fünf Jahre.  Den Hauptteil der Entwicklungsphase (etwa drei bis sieben Jahre) machen die klinischen Studien aus. Hier gibt es mehrere Phasen mit einer jeweils steigenden Zahl an Probanden. Normalerweise müssen erst alle klinischen Studien abgeschlossen sein, um eine Zulassung beantragen zu können. Das dauert in der Regel ein- bis zwei weitere Jahre.

Bei den Totimpfstoffen ist die Herstellung der Vakzine sehr aufwendig. So wird etwa für den Novavax-Impfstoff das Spike-Protein zuerst massenhaft in Insektenzellkulturen erzeugt und danach mit Lipid-Nanopartikeln kombiniert. Valneva vermehrt das Sars-CoV-2-Virus in sogenannten Vero-Zellen. Dies ist eine spezielle Zelllinie aus Nieren der grünen Meerkatze. Danach werden sie inaktiviert. Außerdem benötigen beide Impfstoffe Zusatzstoffe, die als Wirkverstärker nötig sind.

Warum ging es bei den Coronimpstoffen dann so schnell?

Alle zugelassenen Coronaimpfstoffe wurden quasi im Zeitraffer entwickelt. Es ging auf allen Ebenen zügig: Bei Sars-CoV-2 war die genetische Sequenz schnell verfügbar. Und von nahe verwandten Viren wie Sars und Mers wussten Wissenschaftler bereits, dass es vor allem auf das Spike-Protein ankommt. Außerdem arbeiteten beim Corona-Impfstoff Internationale Einrichtungen und Behörden mehr denn je Hand in Hand. So konnten klinische Studien überlappend beginnen und Ergebnisse bereits während der laufenden Verfahren bewertet werden.

Wichtig ist aber zu betonen, dass alle in der EU zugelassenen Corona-Impfstoffe sämtliche Entwicklungs- und Prüfverfahren komplett durchlaufen und abgeschlossen haben.

Welche Vorteile haben Totimpfstoffe?

Zunächst ganz praktische: Totimpfstoffe können problemlos über mehrere Jahre bei Kühlschranktemperatur gelagert werden. Außerdem ist ihre Herstellung zwar nicht simpel, aber mit einem einmal etablierten Verfahren können relativ schnell größere Mengen produziert werden. Totimpfstoffe gelten generell als gut verträglich und als geeignet für alle Altersgruppen und Risikopatienten.

Und: Totimpfstoffe sind im Einsatz gegen viele Krankheiten seit Jahren etabliert. Ein Argument, das auch Menschen überzeugen könnte, die Vorbehalte gegenüber den neu entwickelten Impfstoffen haben.

Welche Nachteile haben sie?

Totimpfstoffe lösen in der Regel zwar eine breite Immunantwort aus. Allerdings fällt sie häufig schächer aus, was den Zusatz von Wirkverstärkern nötig macht. Im Falle von Valneva ist dies unter anderem Aluminiumhydroxid, ein bewährtes Mittel in der Impfstoffherstellung. Novavax nutzt Nanopartikel aus Rindenextrakt des chilenischen Seifenrindenbaums.

Solche Wirkverstärker können theoretisch die Verträglichkeit beeinflussen. Außerdem ist die Länge der Schutzwirkung auch bei Totimpfstoffen in der Regel begrenzt. Eine Auffrischung ist daher meistens notwendig. Allerdings kann dies auch erst nach mehreren Jahren der Fall sein, etwa beim Krankheiten wie Diphtherie oder Tetanus. Aussagen zu den neuen Totimpfstoffen gegen Covid-19 lassen sich hierzu noch nicht treffen. / RP

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berndgrimm
Gast
berndgrimm
4. Dezember 2021 11:20 am

Man sollte bei aller Vorsicht nicht vergessen dass Covid ein grosses Geschaeft fuer die globale Pharmaindustrie ist  und jeder seinen Anteil vom Kuchen haben will.

Neue Player muessen deshalb neue Argumente fuer ihr Produkt finden.