Geben die Rothemden auf?

Thailands Junta hat die Thaksin Shinawatra nahestehenden «Rothemden» ins Visier genommen. Die Basis der heterogenen Bewegung richtet sich auf einen langen Kampf ein.

Anders als in Bangkok wird einem in Udon Thani schon auf dem Flughafen bewusst, wer in Thailand neuerdings das Sagen hat. In der Empfangshalle patrouillieren bewaffnete Soldaten mit schusssicherer Weste. Draussen, wo die Autos kurz anhalten, um Passagiere auszuladen, hat ein Geländefahrzeug der königlichen Armee Stellung bezogen. Die Stadt im ländlichen Nordosten Thailands ist eine Hochburg der von den Militärs entmachteten Regierungspartei Pheu Thai und der mit ihr liierten Rothemden-Bewegung. Letztere wurde 2006, als Reaktion auf den Putsch gegen Thaksin Shinawatra, gegründet und nennt sich «United Front of Democracy against Dictatorship» (UDD).

«Das Volk glücklich machen»

An einem Kreisel in der Innenstadt sitzen zwei behelmte Soldaten an einem Tisch, vor sich ein Dutzend Schutzschilder, wie sie Polizisten bei Demonstrationen einsetzen, und über sich ein Tarnnetz, das die stechende Sonne abschirmt. Die Militärs, die vergangene Woche die Macht an sich gerissen haben, warnen vor Anschlägen. Ob Razzien im Kernland der Rothemden Waffenarsenale zutage förderten, wie die Putschgeneräle behaupten, lässt sich nicht überprüfen. Unbestritten ist aber, dass die Frustration unter den Anhängern der Roten gross ist und die Gefahr besteht, dass sich Militante mit Guerillaaktionen rächen. Zum zweiten Mal innerhalb eines Jahrzehnts entfernte das Militär eine vom Shinawatra-Clan gestellte Regierung.

In Sam Phrao, einem Vorort Udon Thanis, von den Bewohnern wegen der politischen Gesinnung zum «Red Village» erhoben, hat die Armee neben dem Studio von Radio Khon Rak Udon einen Kontrollposten eingerichtet. Bis zum Coup vom 22. Mai verbreitete dieser Sender die Weltsicht der Thaksinisten. Jetzt ist das Gelände von einem Dutzend Uniformträgern umstellt. Ihr Betreiber, ein bekannter Kopf der UDD, wurde nach dem Coup interniert, der Sender von der Armee besetzt. Die Putschisten sehen dies als notwendige Massnahme gegen aggressive Medien, die das Volk aufwiegelten. Auch auf der anderen Seite des politischen Grabens hat die Armee elektronische Medien kurzerhand ausser Betrieb und Zeitungen an die Kandare genommen.

Am Gittertor von Radio Khon Rak Udon lächelt ein von der Sonne verblichener Thaksin von einem Plakat. Die feldgrünen Hausherren haben am Gitter allerdings ihre eigene Propaganda befestigt. «Thailands Volk wieder glücklich machen», verheissen zwei Banner. Ordnung, Versöhnung und Zufriedenheit unter Anleitung der Armee – so ähnlich hatte sich auch der Chef der Junta, Prayuth Chan-ocha, nach dem Coup vernehmen lassen.

Wenige hundert Meter weiter stellt der Besitzer einer Autowerkstatt einen Klappstuhl in den Hof. Die Geschäfte laufen schlecht, nicht erst seit der Ausrufung des Kriegsrechts. Auf den Coup sei er innerlich vorbereitet gewesen, sagt Kawee, der sich dennoch schnell in Rage redet. «Wir wollen Wahlen, eine Demokratie», hält der Kleingewerbler im ärmellosen T-Shirt dezidiert fest. Nach der von der Armee orchestrierten Absetzung Thaksins im Jahr 2006 fuhren Kawee und andere Bewohner von Sam Phrao nach Bangkok, um zu demonstrieren. Auch diesmal war der erste Reflex: Das lassen wir uns nicht bieten. Doch überrumpelten die Putschisten UDD-Anhänger wie Kawee. Nicht bloss die Führungsriege in Bangkok, sondern auch die Chefs der Regionalgruppen wurden festgesetzt. Wer sich einer Verhaftung entziehen konnte, tauchte unter oder flüchtete in ein Nachbarland. Solchermassen geschwächt, entschieden sich viele an der Basis, vorerst abzuwarten.

Am Mittwoch wurden der UDD-Vorsitzende Jatuporn Prompan und andere Kader auf freien Fuss gesetzt – allerdings mit der Auflage, keine Meinungen abzugeben, die «Konfusion» hervorrufen könnten, wie ein Junta-Sprecher erläuterte. Jatuporn, ein ebenso charismatischer wie scharfzüngiger Politiker, hatte Anfang Mai angekündigt, einen Putsch würden die Roten nicht hinnehmen. Wer die Demokratie ausheble, drohe das Land in einen Bürgerkrieg zu stürzen. Unter dem Diktat der Junta würden vermutlich schon weniger kontroverse Aussagen genügen, um Jatuporn erneut ausser Gefecht zu setzen. Wie viele seiner Gefolgsleute sich noch in Gewahrsam der Armee befinden, ist nicht bekannt. Bei manchen klingelt das Telefon ins Leere, und ihre Tweets brechen am 22. Mai, dem Tag des Staatsstreichs, ab.

Die Verhaftungswelle hat die Einwohner in Sam Phrao verunsichert. Sind Porträts von Thaksin und Yingluck in roten Dörfern sonst allgegenwärtig, fallen jetzt die Bildnisse des Königs auf; als gehe es darum, nicht zu provozieren. Ein Kunde in der Autowerkstatt, der sich dazugesellt hat, zieht stolz seinen UDD-Ausweis aus dem Portemonnaie. Wenn er in die Stadt fährt, lässt er die Karte allerdings zu Hause. Man wisse ja nie, wenn er an einer Strassenkontrolle gefilzt werde.

Endlich ernst genommen

Thailands konservative Eliten, zu denen der Junta-Chef Prayuth zählt, sehen Thaksin als korrupten Demagogen und verkappten Republikaner, der es darauf angelegt habe, den Monarchen in den Schatten zu stellen, und nach seinem erzwungenen Abgang über Stellvertreter weiterregiere. Im Norden und Nordosten des Königreichs, wo eine Mehrheit seit 2001 Parteien im Einflussbereich Thaksins wählt, ist dies üble Propaganda einer machtbesessenen Clique, die nicht akzeptieren kann, dass sich Thailand gewandelt hat. Der ins Exil vertriebene Populist Thaksin brachte nicht nur eine Billigkrankenkasse und Beihilfen für die Reisbauern. Er gab der Landbevölkerung das Gefühl, sie werde endlich ernst genommen – und punktete damit an der Wahlurne.

In der Werkstatt von Sam Phrao haben sich inzwischen weitere Personen hinzugesetzt. Er werde sich von den Militärs nicht den Mund verbieten lassen, sagt einer trotzig. Man bekenne sich zur Gewaltlosigkeit, versichert ein anderer etwas unvermittelt und fügt an, das Land stehe vor einem langen Kampf.

 

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donwelfo
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donwelfo
1. Juni 2014 2:09 am

Oh Mann, ihr begreift es einfach nicht. Wer ist denn wirklich dagegen, Waffenlager der Faschisten hochzunehmen? Wer ist denn wirklich gegen Unterdrückung der Meinung anderer??
Ich begrüße die Militäraktionen, weil offenbar nur sie in der Lage sind den Boden für freie Wahlen zu bereiten. Die vielfach ausgerufenen sog. Roten Dörfer müssen nun endlich ihre Plakate entfernen. Die Dorfbewohner dieser Mubaan Sidäng sind schlichtweg unterdrückt worden. Dazu gibt es zahlreiche Zeugenaussagen.
Schluss mit der Sozial- und Demokratieromantik einiger Rothemden-Farangs. Die haben einfach nichts verstanden. Und sie kennen die Geschichte nicht!

Rolf46
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Rolf46
31. Mai 2014 11:51 pm

STIN: Sollte eine andere Partei dann für den gesuchten Ex-PM fungieren, könnte sie auch aufgelöst werden – das Wahlrecht dürfte sicher so abgeändert werden.

Das wird Bezug auf die Scheindemokratie und die zugelassenen Wahlergebnisse also ungefähr so laufen wie einst in der Deutschen Demokratischen 😉 Republik DDR .

Nur braucht Thailand nicht zu befürchten, dass es mitsamt seiner US-Schutz- und Militärhilfemacht sofort pleite geht, denn die westlichen Investoren werden nach bisheriger Erfahrung eine stramme Militärregierung bzw. deren Marionetten-Regierungstheater-Clique, die das als möglichst billige Arbeitssklaven zu benutzende Volk sicher und fest im Griff hat, prinzipiell zu schätzen wissen.

Ein Umdenken findet bei denen jedoch dann statt, wenn die ersten Fabriken sabotiert werden oder durch Terroristen-Aktionen plötzlich „in die Luft fliegen“ und die ausländischen Botschaften Reisewarnungen wegen zufällig in Urlauberhotels gefundenen oder gar explodierten Sprengkörpern herausgeben, so dass es selbst den Pattaya dominierenden Russen dort plötzlich zu ungemütlich wird.

„Wir“ unerschütterlichen Urlaubs-Hardliner mit (..fast) eigenen Blaudach-Hütten im fernen Isan müssen , wenn wir auf eigene Gefahr trotzdem noch „reingelassen“ werden,..

.. die unruhiger gewordenen Zeiten wahrscheinlich unauffällig (..und mit streng neutralem, „unpolitischem Gesichtsausdruck “ 😉 ) aussitzen und auf bessere Zeiten hoffen.

egon weiss
Gast
egon weiss
1. Juni 2014 12:20 am
Reply to  Rolf46

My HK friend posted this photo… this is a flight from HK to BKK. #ThaiCoup pic.twitter.com/X5E6YT5imR
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auch das ist ein grossaertiger erfolg von suthep