Nationale Reformrat nimmt Arbeit auf

Der Nationale Reformrat nimmt in Thailand seine Arbeit auf. Doch Experten bezweifeln, dass das handverlesene Gremium in der Lage ist, die tiefe Spaltung der thailändischen Gesellschaft zu überwinden.

Seit dem Putsch im Mai (22.05.2014) hat das Militär in Thailand das Sagen. Fünf Monate später ist das Kriegsrecht immer noch in Kraft. Presse- und Versammlungsfreiheit sind eingeschränkt. Der Nationale Rat für Frieden und Ordnung, den die Junta kurz nach dem Putsch als zentrales Machtorgan etabliert hat, vereinigt alle Gewalten des Staates auf sich und ist niemandem Rechenschaft schuldig. Die Rechtfertigung der Militärs: Nur so seien nach den Massenprotesten von Ende 2013 und Anfang 2014 mehr Chaos und Tote zu verhindern gewesen.

Zugleich stellte der Nationale Rat für Frieden und Ordnung Reformen in Aussicht, um die politische, soziale und wirtschaftliche Spaltung der Gesellschaft zu überwinden. Dazu wurde ein grober Fahrplan entworfen, der allerdings wenig konkrete Schritte und Zeitvorgaben enthält. Neuwahlen wurden für Oktober 2015 angekündigt, doch dieses Datum wackelt bereits wieder. Juntachef General Prayuth Chan-ocha, der sich im August (21.08.2014) zum neuen Ministerpräsidenten küren ließ, deutete an, dass der Wahltermin unter Umständen nicht zu halten sei. Zuvor müsse eine neue Verfassung ausgearbeitet werden.

Nationaler Reformrat

Diese Aufgabe fällt dem Nationalen Reformrat zu, der am Dienstag (21.10.2014) erstmals zusammengetreten ist. Der Nationale Reformrat soll ein Komitee bilden, das die neue Verfassung erarbeitet. Der Rat umfasst 250 Mitglieder, die von der Militärjunta ausgesucht wurden. “Wir müssen Reformen auf den Weg bringen, die die Spaltung in Politik und Gesellschaft überwinden”, so der Präsident des Reformrats, Thienchay Kiranandana.

Verfassungsrechtler wie Khemthong Tonsakulrungruang von der Chulalongkorn Universität in Bangkok sprechen gegenüber der Nachrichtenagentur AFP von einer “Pseudo-Demokratie”. Es gehe in erster Linie darum, den Einfluss der politischen Gegner zu beschneiden. Ziel des neuen Systems sei es, nicht den populärsten, sondern den vorgeblich “tugendhaftesten” Mann an die Macht zu bringen.

Gut gegen Böse

Die moralische Begründung ist seit langem ein zentrales Motiv der thailändischen Politik, wie Marc Saxer in einer gerade erschienenen Analyse der Friedrich-Ebert-Stiftung darlegt. In der buddhistischen Tradition des Landes wird Herrschaft durch moralische Integrität legitimiert. Ist der Herrscher tugendhaft, blüht das Land auf. Ist er verdorben, führt er die Nation in den Abgrund.

Diese Argumentation haben das Militär und seine Anhänger wiederholt gegen den Shinawatra-Clan ins Feld geführt. Thaksin Shinwatra wurde als Premierminister 2006 gestürzt, seine Schwester Yingluck beim Putsch von 2014. Es seien “schlechte Herrscher” gewesen. Das hätte die grassierende Korruption bewiesen – so ihre Gegner. Dass beide zuvor von der Mehrheit der Thailänder ins Amt gewählt worden waren, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Im Gegenteil: “Der logische Kurzschluss ist dann, die Mechanismen außer Kraft zu setzen, die ‘schlechte Menschen’ an die Macht bringen: Wahlen”, so Saxer.

Politik statt Moral

Der moralisierende Diskurs zeigt an, dass Thailand in der Politik noch nicht in der Neuzeit angekommen ist. Die traditionellen buddhistischen Werte kollidierten immer wieder mit einer pluralistischen kapitalistischen Gesellschaft, so Saxer: “Dreißig Jahre wirtschaftliches Wachstum haben eine komplexe kapitalistische Gesellschaft geschaffen. Die thailändische Gesellschaft ist heute pluralistischer als jemals zuvor.”

Im Grunde handele es sich bei den politischen Unruhen der vergangenen zehn Jahre nicht nur um einen Machtkampf zweier Lager, sondern um eine Transformationskrise. “Eine Transformationskrise kann auftreten, wenn eine Gesellschaft sich schnell verändert, ohne ihr politisches System anzupassen.”

Lösungsansätze

Zur Überwindung der Transformationskrise ist ein tiefgehender Reformprozess nötig. Dazu ist vor allem ein breiter gesellschaftlicher Dialog nötig, der nicht nur von den Eliten geführt wird, sondern vor allem die Mittelschicht einbezieht. Eine Verfassungsdiskussion ist nicht ausreichend: “So lange die darunterliegende Krise der sozialen Ungerechtigkeit nicht gelöst wird, wird der Kampf über die politische und soziale Ordnung andauern”, sagt Saxer. Ein solcher Reformprozess sei nur möglich, wenn “diejenigen, die einen demokratischen Wandel befürworten, eine breite Koalition bilden.” Die sei aber zurzeit noch nicht auszumachen. Dennoch ist Saxer optimistisch: Es gebe durchaus Ansätze für eine Modernisierung der thailändischen Gesellschaft.

So spricht sich etwa der Intellektuelle Sulak Sivaraksa für einen engagierten Buddhismus aus, der über das schlichte Gut-Böse-Schema hinausgeht. Doch das Establishment wehrt sich: Der 82jährige wurde am Montag (20.01.2014) von zwei Offizieren außer Dienst der Majestätsbeleidigung bezichtigt, da er den Mythos eines thailändischen Königs aus dem 16. Jahrhundert angezweifelt hatte. In Thailand kann Majestätsbeleidigung mit mehreren Jahren Gefängnis bestraft werden.

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12 Comments
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berndgrimm
Gast
berndgrimm
26. Oktober 2014 4:50 am

Rolf46: berndgrimm: Es wird wohl eine weitere Abfolge von gekauften Wahlen
und Militärputschen geben.

Die ständige Abfolge von Wahlen und Militärputschen hat mit “gekauften Wahlen” überhaupt nichts zu tun. Das Militär stand und steht in Thailand in engster Zusammenarbeit mit Krone und Kronrat schon immer über jeder Zivilregierung.

Wenn eine vom Militär zunächst geduldete bzw. nicht zu vermeidende Zivilregierung den Anschein erweckt, den eigennützigen Interessen der wahren Herrscher über das Land zuwider zu handeln, wird sie schleunigst “abgesägt” . Dazu ist dann jedes Mittel recht..

Unsinn.
Wenn Thaksin oder eine seiner Marionetten erkannt hätten
dass sie als Regierung für ganz Thailand zuständig sind
und nicht nur für Thaksins eigene Bankkonten so würden
sie heute noch regieren.
Die Mär dass Militär und Kronrat auch eine Thaksin Regierung
am Regieren hindern würde ist eine grosse Lüge mit der
man Thaksins eigene Unfähigkeit und die Unfähigkeit seiner
Marionetten verkleiden will.
Tatsache ist, dass selbst die Demokraten Yingluck angeboten
haben die Verfassung so zu ändern dass die Befugnisse
des Militärs beschnitten würden.
Nur Thaksins Amnestiegesetz wollte man auf keinen Fall.
Da Thaksin sein eigener Persilschein aber wichtiger war/ist
als die Zukunft Thailands wollte er es mit seiner zusammengekauften
Zweidrittelmehrheit allein machen.
Daraufhin gab es noch lange keinen Militärputsch
sondern erstmal 7 Monate lange die grössten friedlichen
Demonstrationen die Thailand jemals gesehen hat.
Da diese nicht so einfach zusammenzuknüppeln waren
wie die Demos der Pitak Rentner zuvor war die Yingluck
Regierung ratlos bis zur Regierungslosigkeit.
Thaksins braune Ganoven verteidigten ihre “Geschäfte”
und seine Roten Hassprediger und Teilzeitterroristen
brachten nur noch ein Blutbad in Ramkhamhaeng zustande
und 30 Tote durch feige hinterhältige Angriffe auf die Demo!

Und die Thailandfernen Thaksinjodler hier versuchen
dies Alles schönzureden
und ihren Lesern vorzumachen
da hier eh alles Gangster wären , sollte auch der
grösste Gangster von Allen nämlich Thaksin
“demokratisch” regieren.

berndgrimm
Gast
berndgrimm
26. Oktober 2014 4:50 am

siehe oben!

berndgrimm
Gast
berndgrimm
22. Oktober 2014 10:54 am

Ein solcher Reformprozess sei nur möglich, wenn “diejenigen, die einen demokratischen Wandel befürworten, eine breite Koalition bilden.” Die sei aber zurzeit noch nicht auszumachen. Dennoch ist Saxer optimistisch: Es gebe durchaus Ansätze für eine Modernisierung der thailändischen Gesellschaft.

Dies ist ein schönes Wort zum Mittwoch!
Auch ich meine dass es sich hier ändert.
Aber leider nicht durch Dialog weil Thaksin dazu weder fähig noch willens ist.
Es wird wohl eine weitere Abfolge von gekauften Wahlen
und Militärputschen geben.
Irgendwie muss sich selbst diese Gesellschaft reformieren!

egon weiss
Gast
egon weiss
22. Oktober 2014 1:32 pm
Reply to  berndgrimm

http://www.dw.de/neues-denken-in-thailand-gefordert/a-18011580?maca=de-rss-de-region-asien-4023-rdf
stin
warum kannst du eigentlich nie denlink zu deinen eistellungen bekannt geben?

rene sidler
Gast
rene sidler
25. Oktober 2014 11:03 am
Reply to  berndgrimm

Absolut unwichtig ob Taksin oder jemand anders Präsident ist: Thailand ist eine total durchmilitarisierte Gesellschaft ( 18 Putsch seit 1932) Die Armee, der Kronrat im Verbund mit dem Königshaus werden niemals eine wirkliche parlamentarische Demokratie zulassen. Reformprozess? Was ist das? In Thailand?

Rolf46
Gast
Rolf46
26. Oktober 2014 12:19 am
Reply to  rene sidler

rene sidler: Reformprozess? Was ist das? In Thailand?

Kann ich dir ganz einfach beantworten : Alles Lug und Trug.. 😉

Rolf46
Gast
Rolf46
26. Oktober 2014 12:16 am
Reply to  berndgrimm

berndgrimm: Es wird wohl eine weitere Abfolge von gekauften Wahlen
und Militärputschen geben.

Die ständige Abfolge von Wahlen und Militärputschen hat mit “gekauften Wahlen” überhaupt nichts zu tun. Das Militär stand und steht in Thailand in engster Zusammenarbeit mit Krone und Kronrat schon immer über jeder Zivilregierung.

Wenn eine vom Militär zunächst geduldete bzw. nicht zu vermeidende Zivilregierung den Anschein erweckt, den eigennützigen Interessen der wahren Herrscher über das Land zuwider zu handeln, wird sie schleunigst “abgesägt” . Dazu ist dann jedes Mittel recht..

Der jeweilige Ablauf entspricht einer Wiederholungssendung im Fernsehen. Alles schon mehrmals dagewesen und alles wie gehabt..

> >Putschvorbereitung, >Putsch, >Militärjunta, >Kriegsrecht, >Verfassungsmanipulationen , >eingesetzte Marionettenregierung mit “Ernannten”, >Marionettenregierung bei erstbester etwas freierer Wahl abgewählt und neue Zivilregierung unter Militärbeobachtung ist wieder da..
Zivilregierung scheint zu stark zu werden, Neuer Zyklus beginnt >Putschvorbereitung, >Putsch, >Militärjunta, >Kriegsrecht.. u.s.w.

Und alles wird ebenso regelmäßig entweder vorher, nachher oder mittendrin 😉 vom Monarchen abgesegnet bzw. “legitimiert” ..

Rene Sidler hat sehr richtig erkannt, was in Thailand Sache ist ist und das dann auch einwandfrei beschrieben:

rene sidler: Absolut unwichtig ob Taksin oder jemand anders Präsident ist: Thailand ist eine total durchmilitarisierte Gesellschaft ( 18 Putsch seit 1932) Die Armee, der Kronrat im Verbund mit dem Königshaus werden niemals eine wirkliche parlamentarische Demokratie zulassen. Reformprozess? Was ist das? In Thailand?

Rolf46
Gast
Rolf46
26. Oktober 2014 12:38 am
Reply to  STIN

STIN:

momentan ist die Mehrheit der Thailänder wohl nicht bereit, die thail Kultur zugunsten einer Demokratie zu opfern.

Die Mehrheit der Thailänder wird “momentan” überhaupt nicht gefragt, weil Dauer-Kriegsrecht herrscht und die Militärdiktatur keine freien Wahlen zulässt.

Außerdem bräuchte die thailändische Kultur einer Demokratie nicht “geopfert” werden, sondern Demokratie und Kultur gehören sogar zusammen. Geopfert . werden müsste zunächst einmal der wichtigste Störfaktor, welcher einer Demokratie im Wege steht. “Reformiert” werden müsste das über den Zivilregierungen stehende Militär..

Davon wird aber in Thailand auf absehbare Zeit nichts, weil das Militär sich nicht kampflos reformieren lässt und zusammen mit der Krone schon seit “ewig” 😉 das entmündigte und systematisch zu obrigkeitsgläubigen Untertanen erzogene Volk beherrscht.

Ohne “von außen” einwirkende und zwingende Einflüsse kann sich daran auch nichts ändern. Das wissen die Machthaber und genau deshalb verbitten sich die Nationalisten und Monarchisten auch bei jeder nur denkbaren Gelegenheit die unliebsamen “ausländischen Einmischungen”..

..auch bei der Untersuchung von Mordfällen.. 😉

  Rolf46(Quote)  (Reply)