Thailand: Demokratie wird noch etwas warten müssen

Varin Buaviratlert hatte 2010 schon eine Vorahnung. Er sieht Prayut Chan-o-cha als Thailands Premier. Als der Wahrsager dem General sein Traumbild erklärt, lächelt dieser und sagt: „Das ist unwahrscheinlich. Das wäre gegen die Demokratie. Wir müssen dem Weg der Demokratie folgen.“

Am 20. Mai dieses Jahres befiehlt dann der General die Verhängung des Kriegsrechts, zwei Tage später folgt der unblutige Militärputsch. Mit der Verfassung werden die Demokratie und der Rechtsstaat außer Kraft gesetzt, die Versammlungsfreiheit eingeschränkt und die von Korruption und Verfassungsbeschwerden geplagte Pheu-Thai-Regierung aus dem Amt gejagt. Armeechef Prayut Chan-o-cha beendet per Order die sechsmonatige politische Blockade mit 28 Toten und Hunderten Verletzten bei den Demonstrationen des People’s Democratic Reform Committee (PDRC).

Der Militärrat National Council for Peace and Order (NCPO) übernimmt die Macht und stellt den von Thais lang ersehnten Frieden und die Ordnung wieder her. Der NCPO lässt umgehend eine Übergangsverfassung schreiben, setzt ein Interimsparlament und eine Übergangsregierung mit Prayut als Ministerpräsident ein, beruft eine Reformkommission und eine verfassung­gebende Versammlung. Sowohl die Rothemden, die Gelbhemden als auch führende Mitglieder der beiden großen Parteien Pheu Thai und Demokraten tauchen ab; jegliche Opposition, starke Kritik und Provokation werden verfolgt oder im Keim erstickt. Medien leiden weiterhin unter dem Kriegsrecht, in Thailand herrscht die Zensur. Amnesty International beklagt die Einschränkung der Menschenrechte.

Der Diktator (O-Ton Prayuth: „Ich bin kein Diktator!“) fürchtet den offenen Diskurs, den Streit und strebt nach Harmonie und Einigkeit. Er glaubt den Volkswillen zu kennen und setzt auf Konsenszwang. Seine freitägliche TV-Ansprache steht unter dem Motto „Return Happiness!“ Landesweite Umfragen ergeben, dass die Mehrzahl der Thais die Arbeit des Generals positiv bewertet (ebenso die im Königreich lebenden Ausländer).

Weder Liegestühle noch Sonnenschirme
Was die Polizei während der gewaltsamen Angriffe auf Demonstranten nicht geschafft hatte, verbuchen Soldaten als ihren Erfolg: Die meisten Attentäter werden gefasst, in zahlreichen Provinzen Waffenlager ausgehoben und deren Besitzer festgenommen. Die Macht des Militärs reicht weit: In Phuket und Hua Hin räumen Soldaten und Polizisten die Strände von Restaurants, Verkaufsständen, Massageshops und Liegestühlen. Nicht unbedingt unter dem Beifall ausländischer Urlauber: Auf der Ferieninsel Phuket müssen sich Touristen an Stränden auf Handtücher legen, in sengender Sonne. Es gibt weder Liegestühle noch Sonnenschirme.

In Nationalparks und auf weiteren öffentlichen Flächen findet das Militär illegal errichtete Hotels, Restaurants, Wohngebäude und Plantagen vor. Der Abriss beginnt, doch einflussreiche Thais wehren sich gegen den Abbruch ihrer Immobilien. Ihre Grundbesitzurkunden wollen sie legal erworben haben.

Der Putsch macht den Blick frei auf ein allerorten sichtbares Krebsgeschwür, auf die Korruption: von der Regierung bis zum untersten Ende der Befehlskette. Viele hatten es vermutet, wie tief die Korruption in die Gesellschaft vorgedrungen ist, als Symbol für einen Staat, der im Verfall begriffen ist. Mit einem Gemisch aus Wut und Ohnmacht verfolgen Thais die Schlagzeilen. Auch eine aktuelle Umfrage: Danach zahlen Thais die meisten Korruptionsgelder bei Zoll und Polizei.

Öffentlicher Strand kostete eine Million
Pattaya bleibt von Räumaktionen des Militärs weitgehend verschont, Aussagen der Liegestuhlverleiher lassen indessen aufhorchen: Stellplätze wurden nicht nur von mächtigen und einflussreichen Personen für viel Geld gemietet, einige Verleiher hatten oder mussten die wenigen Quadratmeter Sandstrand für eine Million Baht erwerben. Wohlgemerkt, es handelt sich um öffentlichen Strand!

Den Polizeiskandal im November versucht Ministerpräsident Prayut Chan-o-cha zu entschärfen. Längst nicht alle Beamten ständen unter Korruptionsverdacht, betont er und kündigt eine umfassende Polizeireform an. Der ehemalige Leiter der Spezialeinheit Central Investigation Bureau (CIB), Pongpat Chayaphan, sein Stellvertreter Kowit Wong­rungroj sowie über 20 weitere hohe Polizeibeamte und Zivilis­ten werden festgenommen. Die Gier nach Geld hatte sie zu einer Bande zusammengeschweißt. Ihre Vergehen: Majestätsbeleidigung, Korruption, Beteiligung an Öl-Schmuggel und Spielkasinos, Machtmissbrauch, Schutzgelderpressung. In den Häusern des Ex-CIB-Chefs finden die Ermittler eine Milliarde Baht in bar und Vermögenswerte wie Goldornamente, Buddha-Statuen, seltene Briefmarken und Elfenbein im Wert von vielen Milliarden Baht.

Instabilität und tiefe Spaltung
Sollte sich eine weitere Vision des in Chiang Mai lebenden Wahrsagers Varin Buaviratlert bewahrheiten, dann wird Minis­terpräsident Prayut über das von ihm angekündigte eine Jahr hinaus die Regierungsgeschäfte führen: „Er wird zwei bis drei Jahre brauchen, bis das Land zur Normalität gefunden hat.“ Das wünschen sich die meisten Thais. Bei einer Umfrage sprechen sich 66 Prozent für eine längere Amtszeit Prayuts aus. Analysten bezweifeln indessen, dass das Militär in der Lage sein wird, den Teufelskreis von politischer Instabilität und die tiefe Spaltung der thailändischen Gesellschaft zu überwinden.

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12 Comments
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berndgrimm
Gast
berndgrimm
3. Januar 2015 4:20 am

emi_rambus: Das einzige was seit 2001 staendig real gestiegen ist, war die Umweltverschmutzung!

Und die Kriminalität die von Thaksins braunen Ganoven organisiert wurde.
Nein, Prayuth ist auf einem guten Weg der natürlich Thaksin nicht passt.
Das Einzige was Prayuth m.E. falsch macht ist, dass er einerseits viel zu lasch ist
was die Polizei Reform angeht und andererseits durch seinen LM Wahn
und seiner Meinung er könne den Medien vorschreiben was sie schreiben
soll sich selbst im Weg steht und Thaksin hilft.
Er muss eine offene Diskussion dringend fördern, sonst wird hier die
Mehrheit immer “falsch” wählen und kriminellen Rattenfängern nachlaufen!

egon weiss
Gast
egon weiss
3. Januar 2015 6:57 am
Reply to  berndgrimm

die sind sooooo krank.
und da gibt es noch leute wie ben, der das alles kritiklos fuer gut befindet.
http://news.asiaone.com/news/asia/regime-tightening-screws-critics-thai-monarchy

emi_rambus
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emi_rambus
2. Januar 2015 5:45 am

egon weiss: damit das land wirtschaftlich noch mehr den bach runter geht.
http://www.nytimes.com/2015/01/02/opinion/thailand-and-the-coup-trap.html?_r=2

Das sind doch alles nur Phrasen in dem Artikel. Wie setzt sich denn der Betrag zusammen.
Wirtschaftswachstum, Inflationsrate, … war doch alles nur geschoent!
Das einzige was seit 2001 staendig real gestiegen ist, war die Umweltverschmutzung!

emi_rambus
Gast
emi_rambus
31. Dezember 2014 12:34 pm

Dabei muss eigentlich die Demokratie gar nicht warten!
Die Demokratie ist mit dem Referendum zu einer demokratische Verfassung (Rechtsstaat, Gewaltenteilung, …) und der demokratischen und freien Wahl umgesetzt!
An der restlichen Reform (SOLL-Ergebnis), kann bis zur Wahl und sogar darueber hinaus weitergearbeitet werden. Die Einfuehrung/Umsetzung/ Einarbeitung kann auch danach erfolgen. Die staendige Reform der Verwaltungsorganisation und der Gesetzgebung, sollte in der Verfassung verankert sein. Fuer die Umsetzung des aktuellen Ergebnisses braucht es dann nur noch ein zusaetzliches Gesetz.

egon weiss
Gast
egon weiss
2. Januar 2015 12:16 am
Reply to  emi_rambus

damit das land wirtschaftlich noch mehr den bach runter geht.

http://www.nytimes.com/2015/01/02/opinion/thailand-and-the-coup-trap.html?_r=2

emi_rambus
Gast
emi_rambus
31. Dezember 2014 12:21 pm

Das Referendum zur alten Verfassung (2007) war die “Bastion”, der “Fels in der Braundung”!
Laesst man die jetzt weg, ist die Verfassung angreifbar! und dass so etwas genutzt wird, hat ja die Vergangenheit gezeigt.

Der Haupt-“Gegner” der Demokratie ist die geringe Wahlbeteiligung. Und das kann eine Propaganda sehr leicht aufpuschen!
Deswegen muessen alle(!) die tatsaechlich die Demokratie jetzt und immer jede Gelegenheit (<5 Personen …) nutzen, den Waehlern klar zu machen, jede Stimme wird gebraucht!
http://www.bangkokpost.com/news/politics/453420/national-reform-may-take-a-decade
Eine Reform wird wahrscheinlich nie enden!Wenn man an einer "Ecke" fertig ist, gibt es an einer anderen schon wieder Probleme.
Eine Reform muss ein ewiger Prozess sein. Wenn das einmal richtig gelernt wurde, ist das kein Problem mehr.
Alternativ koennte man fuer das Referendum ein Wahlpflicht einfuehren! Und/Oder die Stimmabgabeueber eine ganze Woche ermoeglichen!
Die Wahlpflicht halte ich nicht fuer gut! Bei "einer Woche Stimmabgabe" haetten die demokratischen Parteien eine Moeglichkeit zum Ueben, weil auch bei der nachfolgenden Wahl, wird nur der gewinnen, der die Nicht-Waehler aktivieren kann.
Wahlkampf ist der falsche Ausdruck, Wahlkampf-ARBEIT waere treffender.
Wer das nicht will/kann, der sollte besser seine Selbstverwirklichung in der Wirtschaft suchen.
Es werden die gewinnen, die jetzt schon keine Gelegeheit auslassen zu arbeiten!
Ich denke, wenn die Stimmenabgabe ueber 8 Tage (2 Sonntage) moeglich ist, wird es der derzeitigen Regierung schon gelingen, von Montag bis zum 2. Sonntag die Wahlbeteiligung ueber 90% zu bringen!
Und dann wird es auch ueber 60 % Zustimmung geben, wenn es eine demokratische Verfassung ist.
Wenn nicht ……

emi_rambus
Gast
emi_rambus
29. Dezember 2014 7:07 am

„Er wird zwei bis drei Jahre brauchen, bis das Land zur Normalität gefunden hat.“

Ich hoffe, der Wahrsager behaelt recht!

ben
Gast
ben
2. Januar 2015 3:00 am
Reply to  emi_rambus

egon weiss:

wie meist von Egon… nichts als verdrehte Tatsachen eines Thaksin Jodlers..

egon weiss
Gast
egon weiss
2. Januar 2015 8:00 am
Reply to  ben

ben
besser als ein putsch general yodler.
und du schreibst immer noch , auch im neuen jahr, den gleichen nichtssagenden unsinn.
trotzdem gutes neues jahr.